DIE LANDESGESCHICHTE UND IHRE
BEVÖLKERUNG
Die Geschichte der großen Völkerwanderungen der Menschheit.
Besiedlung der Gebiete und die Schicksale dieser Menschen.
Auswanderungen und Ansiedlung der Emigranten in den
fremdsprachigen Siedlungsräumen. Wie diese Menschen Kontakt
zur alten Heimat aufrecht erhielten und farbige Illustrationen
der frühgeschichtlichen und heutigen Landesstaaten mit
statistischen Verzeichnungen des Bevölkerungsstandes dieser
Zeiten.
Österreich hatte im Verlauf seiner Geschichte eine mehr oder
weniger große Bedeutung wegen seiner Grenzlage nach Osteuropa
hin (Ostmark im Mittelalter, aber auch im
20.Jahrhundert
zwischen 1938 und 1945),
unter
der Herrschaft der Habsburger
aber wurde Österreich zu einem großen, geschlossenen Machtkomplex
Mitteleuropas, der jedoch infolge seiner nationalen
Inhomogenität nie politisch stabil war und mit dem ersten
Weltkrieg zusammenbrach.
Die Beseitigung des „Eisernen Vorhangs“ ab Herbst
1989
und die Bemühungen der osteuropäischen Staaten, sich
wirtschaftlich, kulturell und politisch dem westeuropäischen
System anzunähern, aber auch die regen politischen und
kulturellen Kontakte zwischen Wien, Budapest, Prag, Laibach
und andere Städten haben in Österreich die Hoffnung auf eine
zukünftige Neubelegung des ehemaligen Zentrums Wien erweckt,
das nun von seiner Randlage zum kommunistischen Osteuropa hin
befreit werden könnte.
Der Name „Österreich“ wird erstmals in einer
Schenkungsurkunde Kaiser Otto
II. aus dem Jahr
996
erwähnt. “Ostarichi“ bedeutet dabei soviel wie
„Landgebiet
im Osten.“
976
ist ein wichtiger Meilenstein in der österreichischen
Geschichte: Otto II.,
Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, hatte den Babenberger
Leopold als Markgrafen eingesetzt und ihm die südöstlichen
Länder zwischen March und Traisen zur Belohnung für dessen
Hilfe bei der Niederschlagung eines bayrischen Aufstandes
geschenkt. Die Babenberger-Dynastie regierte in Österreich bis
1246.
Von der Wachau (Pöchlarn) verlegten sie ihren Herrschaftssitz
immer weiter nach Osten (über Melk, Tulln, Klosterneuburg)
nach Wien.
Unter Heinrich II. “Jasomirgott“
wurde Österreich 1156
von Kaiser Friedrich I.
Barbarossa zum Herzogtum
erhoben und bekam dazu Vorrechte, die es über manches andere
deutsche Herzogtum hinaushoben („Privilegium minus“):
Einschränkung der Hof- und Heerfahrtspflicht, volle
Gerichtsbarkeit, weibliche Erbfolge.
Mit der Wahl des Habsburger Grafen
Rudolf
zum deutschen König (1273)
und dessen Sieg über den österreichischen Landesherrn der
“Interregnumszeit“ nach 1246,den
böhmischen König Ottokar
Premysl
(1278)
in der Schlacht auf dem Marchfeld waren die Voraussetzungen
für den Aufstieg der Habsburger und Österreichs geschaffen.
Die Erweiterung der Mark durch die
Babenberger:
Die Habsburger haben durch geschickte Vertrags- und
Heiratspolitik zu den österreichischen Erbländern ständig
Gebiete dazugewonnen, so dass am Beginn der Neuzeit
(1519) Kaiser Karl V.
aus der spanischen Linie ein Reich regierte,“ in dem die Sonne
nicht untergeht.“
Vorgeschichte:Österreich als
Mittelpunkt illyrisch-keltischer Kultur,als römische Provinz
und bayrischer Siedlungsraum
Früheste wirtschaftliche Bedeutung hatte Österreich in der
älteren Eisenzeit (750-400
v.Chr.) wegen des
Salzreichtums im Gebiet von Hallstatt (im heutigen “Salzkammergut“)
und Hallein bei Salzburg. Diese illyrische “Hallstatt-Kultur“
wurde um 400 v.Chr.
von den Kelten abgelöst, die im Bereich südlich der Donau,
Salzburg, Weststeiermark und Kärnten das Königreich Norikum
errichteten.
16 v.Chr.
wurde das Land römische Provinz und zwar als Grenzgebiet zu
den von Norden andrängenden germanischen Markomannen und
Quaden. Kaiser Augustus hatte bereits vorher mit der Sicherung
der Grenze und des Transportweges der Donau durch den Bau
eines “Limes“ und vieler befestigter Stützpunkte begonnen.
Castra Boiorum (Passau), Vindobona (Wien) und Carnuntum (nahe
dem heutigen Hainburg),das wohl die Hauptstadt (municipium) am
östlichen Ende des Limes war. Carnuntum scheint eine reiche
Stadt gewesen zu sein, mit luxuriösen Bädern und zwei
Amphitheatern, von denen das eine
13.000
Sitzplätze hatte. Im stark befestigtem Lager Vindobona wurde
die Donau mit dem größten ihrer Nebenarme (dem heutigen “Kanal“)
durch Brücken verbunden. Meilensteine zeugen vom Bestand eines
römischen Straßennetzes in Norikum, Grabsteine und
Ausgrabungen von Mosaiken und Fresken von einer ausgeprägten
römischen Kultur.
Gegen Ende des
4.
Jahrhunderts verloren die Römer infolge des Drucks der
germanischen Völker von Norden und Osten auf die Provinzen
Norikum, Pannonien und Dacien eine Position nach der anderen.
Das Donaugebiet wurde in der Folgezeit (große Völkerwanderung
bis zum 6.
Jahrhundert) von Vandalen, Goten, Hunnen, Teutonen, Slaven und
Franken überrannt, doch wurde eine gewisse kulturelle
Tradition durch die neue Religion des Christentums und die
Person des Heiligen Severin gewahrt.
Im 7.
und 8.
Jahrhundert wurde das heutige Österreich von Slaven, Awaren
von Osten her, und von den Bajuwaren von Westen her besiedelt.
Viele Ortsnamen bezeugen das heute noch: die Endung –itz, -itzen
deutet auf slawische, jede mit –ing, -heim auf bayrische
Besiedelung hin.
Um 700 n.Chr.
gründete der Heilige Rupert in Salzburg das
Benediktinerkloster St.Peter, das älteste dieser Art in
Mitteleuropa. Der irische Wandermönch Virgil wurde im 8.
Jahrhundert zum ersten Salzburger Bischof. Von Salzburg und
Passau ging dann auch die planmäßige Missionierung und
Kolonisation im Donauraum und in den Südosten des fränkischen
Reiches bis in das heutige Slowenien und Kroatien aus.
Der König des Frankenreiches,
Karl der Große,
errichtete gegen Ende des 8.
Jahrhunderts ein befestigtes Grenzgebiet gegen Awaren, die “Awarenmark“,
die durch die Flüsse Enns, Raab und Drau begrenzt war. Diese
“Karolingische Ostmark“ bestand bis etwa
880,
als die Franken den Magyaren bei “Wenia“ unterlagen, ebenso
wie 907
bei Pressburg. König Otto I. besiegte die Magyaren dann
955
in der Schlacht auf dem Lechfeld und organisierte die
“Ostmark“ neu, allerdings weitaus kleiner als die
karolingische, nämlich zwischen Enns und Traisen. Otto wurde
962
in Rom vom Papst zum Kaiser gekrönt.
Es war damit der erste Kaiser des “Heiligen Römischen
Reiches Deutscher Nation“ wenn auch bereits Karl der Große um
800
die Kaiserkrone innehatte und das Bündnis zwischen dem
fränkischen Königtum und Papst auf Karls Vorgänger Pippin
zurückgeht. Die römisch-deutsche Kaiserkrone sollte den
Übergang der sakralen Würde von den römischen Kaisern auf die
deutschen symbolisieren (Translatio imperii.) Nach
1440
wurde die Krone des Heiligen Römischen Reiches bis
1806
von den Habsburgern getragen mit nur einer kurzen
Unterbrechung (1742-1745.)
Seit 1804
waren die Habsburger dann “Kaiser von Österreich“
(Franz I. von Österreich.)
Bezüglich der Herkunft der österreichischen Urbevölkerung
liegt vieles im Dunklen. Wir wissen wohl, dass die ältesten
Siedler in diesem Raum, Illyrer und Kelten, indoeuropäische
Völker waren, und dass die Kelten auch die ersten Städte in
Österreich errichteten (Bregenz, Salzburg, Lorch, Virunum.)
Wenn sie auch bereits eine organisierte Stammesgemeinschaft,
mit einem König an der Spitze, darstellten und bäuerlich
sesshaft lebten, so bedeutet dies nicht, dass sie völlig
immobil gewesen seien und ihren Unterhalt immer nur am selben
Ort erwirtschaftet hätten.
Wanderungsbewegungen und neue Landnahmen waren vielmehr auch
für dieses und die folgenden Zeitalter charakteristisch, wenn
auch zielgerichtet und nicht mehr in nomadisierender Form.
Erst die aus Wanderungen, Eroberungen und Landnahme
resultierenden Reichsbildungen des ersten nachchristlichen
Jahrhunderts stabilisierten das Nebeneinander und Miteinander
von Stämmen und Völkern. Zwischen Stammesbildungen,
Wanderbewegungen und Reichsbildungen bestanden Zusammenhänge.
Stämme trachteten nach Verbesserung ihrer Lebensbedingungen,
oder sie wollten ihre Wohngebiete verteidigen, erweitern oder
verlegen. Konflikte führten zu Grenzverschiebungen, zu
Unterwerfung oder Errichtung von Herrschaft, zu Wanderung und
Neusiedlung. Andere Ursachen für Wanderungen waren Missernten,
Klimaveränderungen, Überbevölkerung und die Anziehungskraft
zivilisatorisch weiter entwickelter Gesellschaften.
Der
ursprüngliche Zusammenhang der indogermanischen Völkerschaften
in Südwestasien und Europa kann nur aus sprachlichen
Gemeinsamkeiten erschlossen werden. Das Gebiet ihrer Herkunft
ist ungeklärt es wurde bisweilen in Vorderasien, bisweilen im
Tiefland nördlich des Schwarzen Meeres angenommen. Zur
westlichen Sprachgruppe des Indogermanischen zählt man
Keltisch, Lateinisch, Italienisch, Wendisch, Illyrisch und
Germanisch.
Die
Germanen verdrängten, von Skandinavien kommend, im ersten
vorchristlichen Jahrtausend die Kelten und andere Völker aus
Mitteleuropa nach Westen. Die Westgermanen breiteten sich im
heutigen Mittel – und Süddeutschland und im Gebiet der
heutigen Niederlande aus. Seit dem
3.
vorchristlichen Jahrhundert kam es zu Berührungen der
römischen und germanischen Kultur in West – und Mitteleuropa.
Der romanisiernde Raum des nochmaligen Österreichs wurde in
der Zeit der Völkerwanderung von einer germanischen
Erobererschicht überdeckt. Von Westen her drang das Volk der
Bayern in Oberösterreich, Kärnten, Tirol und Steiermark vor
und begann eine neue Ordnung aufzubauen.
Ursprung,
Herkunft, Stammesbildung und Landnahme der Bayern sind nicht
geklärt. Vermutlich stammen sie aus Nordeuropa und waren
Nachbarn der Angeln und Sachsen, welche Beziehung sich in
manchen Dialektausdrücken niedergeschlagen hat. Auch die
Umgangssprache der Österreicher geht auf eine bayrische
Mundart zurück. Die “Fränkische Völkertafel“ von
520
erwähnt sie erstmals als “Bajuwaren.“ Die Bayern werden als
ein sehr sesshafter, behäbiger, zum beschaulichen Leben
neigender bäuerlicher Volksstamm beschrieben, der auch die
große gotische Wanderung zum Schwarzen Meer nicht mitmacht,
sondern in seinem böhmischen Kessel bleibt und dann den
Bayerwald überquert und das heutige Bayern, die Donauebene und
das Alpenvorland, auch das Alpengebiet bis zur Etsch besiedelt.
Ab
700
werden die Bayern christianisiert. Im
8.
Jahrhundert wird der Bayernherzog aus dem Haus der
Agilolfinger, Tassilo III.,
vom Frankenkönig Karl abgesetzt, geschoren und ins Kloster verbannt. Bayern wird Herzogtum des
Frankenreiches.
Österreich im Mittelalter
Die Ära
der Babenberger war für Österreich eine Zeit großer
wirtschaftlicher und kultureller Prosperität. Als Markgrafen
hatten sie das Recht, Krieger selbstständig einzuberufen, aber
auch Befestigungen anzulegen. Dazu kamen richterliche
Befugnisse sowie wirtschaftliche Vorrechte, die mit der
Verleihung des Herzogtitels im Jahr
1156
noch erweitert wurden. So konnte Österreich die natürlichen
Rohstoffsenatomene, insbesondere Gold, Silber und Salz,
ausschöpfen und mit seinem wirtschaftlichen Reichtum
prachtvolle Klöster wie Melk, Göttweig, Heiligenkreuz,
Klosterneuburg, Admont in der Steiermark und Millstatt in
Kärnten, sowie eine Reihe von Burgen zum Schutz gegen
Angreifer von Osten erbauen.
Markgraf
Leopold III.
begann dann auch damit, die österreichische Herrschaft durch
gezielte Heiratspolitik zu festigen. Seine Kinder schlossen
Ehebündnisse mit Ungarn, Böhmen, Italien, Polen und dem
oströmischen Kaiserreich. Schon
1135
verlegen die Babenberger endgültig ihre Residenz nach Wien auf
dem Platz am Hof, der wieder – und Neuaufbau Wiens wird von
Leopold III.,
“dem Heiligen“, vorangetrieben, und sein Sohn
Leopold IV.
wird vom König sogar mit dem Herzogtum Bayern belehnt, wenn er
auch niemals Besitz von dem großen Nachbarland ergreifen
konnte. Um 1130
taucht auch in Urkunden erstmals der Name “Austria“ auf. Mit
der Erwerbung des Herzogtitels und dem später sogenannten
Privilegium minus von 1156
wird der Aufstieg Österreichs weiter vorangetrieben.
Wien
wird zwar zu einem neuen Mittelpunkt der Kultur, doch kann
sich Österreich als eine Pforte zum Osten und als Teil des
Heiligen Römischen Reiches der Weltgeschichte nicht entziehen.
Der ständige Konflikt zwischen dem Papst und dem Kaiser (Investiturstreit),
die Bedrohung von seiten der Böhmen und Magyaren sowie
Kreuzzüge erforderten das politische Engagement der
Babenberger.
Im
Jahre 1190, während der Teilnahme an Kreuzzug,
geriet Herzog Leopold V. in einen Streit mit dem englischen
König Richard Löwenherz. Dieser wurde bei seiner
unfreiwilligen Rückkehr auf dem Landweg in der Nähe Wiens
erkannt und von Leopold V.
gefangengenommen. Für die Freigabe Richards erhielten die
Babenberger aus England 100.000 Silbermark, und dieses Geld
verwendeten sie, um Wien auszubauen und die Wiener Neustadt zu
gründen.
Mit dem
wirtschaftlichen Aufschwung verband sich in Österreich ein
weitgehender Übergang zur Geldwirtschaft, doch da die Kirche
das Zinsnehmen als Sünde gegen die christliche Bruderliebe
verbot, geriet das Darlehensgeschäft vorwiegend in die Hände
von Juden. Damit wurden sie auch in Österreich zu den
Geldgebern der Wirtschaft.
Herzog
Leopold VI.
“ der Glorreiche“ kehrt zur Friedenspolitik zurück und bewährt
neu den Ruf der Babenberger als Förderer der Künste und der
Kultur. Er ist bereits einer der mächtigsten Fürsten des
damaligen Europas. Friedlich übernimmt er die Lehen der
Bischöfe von Freising in der Krain.
Er
kauft von dem Grafen von Haunsberg die Stadt Linz und baut nun
seine Residenz in Wien aus. Hier entsteht ein Sammelpunkt
höfischer Kultur und des Minnesangs
(Reinmar von Hagenau, Walter von der
Vogelweide, Ulrich von Lichtenstein),
aber auch das große Nationalepos der Deutschen, das
Nibelungenlied, wird hier vorgetragen. Das Ende der
Babenberger beschleunigt Herzog
Friedrich II.,
der Krieg gegen den böhmischen und ungarischen König führt und
gegen Kaiser rebelliert. Dieser verhängte die Reichsacht über
den Herzog, und Wien wurde 1237
vorübergehend eine reichsunmittelbare Stadt.
Den
Babenberger war es gelungen, einen wesentlichen Fortschritt
vom Personenverbandsstaat in Richtung Flächenstaat zu erzielen.
Nach dem Aussterben der Babenberger
1246
folgte auch in Österreich die anarchische Zeit des
Interregnums. Und als der böhmische König
Ottokar II.
sich weigerte, die ihm durch Heirat zugefallenen Gebiete
Österreich und Steiermark vom neuen deutschen König Rudolf von
Habsburg als Lehen anzunehmen, verhängte dieser über ihn die
Reichsacht und besiegte ihn in der Schlacht am Marchfeld
1278.
Mit
Zustimmung der Reichsfürsten belehnte Rudolf seine beiden
Söhne mit Österreich, Steiermark und Krain. Damit begann die
Herrschaft der Habsburger, die bis
1918
dauern sollte.
Die
Habsburger strebten die Verwirklichung von drei politischen
Zielen an:
a)
die dauernde Erwerbung der deutschen Königswürde,
b)
die Vereinigung der Länder Böhmen und Ungarn mit dem
österreichischen,
c)
die Erwerbung der Länder zwischen Österreich und ihren
Besitzungen in der Schweiz und in Schwaben.
Dabei
stießen sie auf den Wiederstand der Luxenburger und
Wittelsbacher, die ebenso eine gezielte Hausmachtspolitik
verfolgen wie sie. Die ersten Erfolge hatten die Habsburger in
ihrem Bemühen, eine Landbrücke zwischen ihren östlichen und
westlichen Besitzungen herzustellen.
1335
erwarben sie Kärnten und 1363
Tirol. In beiden Fällen war der letzte Fürst ohne leiblichen
Erben gestorben. Durch Geheimverträge und geschickter
Diplomatie konnten die Habsburger die anderen Mitbewerber
ausschalten. In der Schweiz hingegen verloren sie alle ihre
Besitzungen in mehreren Kriegen gegen die Eidgenossen.
Die
Gesellschaftsordnung des Mittelalters war durch das 3-Stände –
System geprägt (Klerus, Adel und dritter Stand, das sind die
Bürger, Bauern und andere.) zahlenmäßig bildete der dritte
Stand den weitaus größten Teil der Bevölkerung. Mit seiner
Vermehrung und funktionalen Differenzierung, seiner Mobilität
und Geschäftigkeit ergab sich die Notwendigkeit einer
genaueren Indentifizierung von Einzelpersonen und Familien.
Die herkömmliche Personenbezeichnung durch einen Namen reichte
angesichts des begrenzten Taufnamenbestandes nicht mehr aus,
um Verwechslungen zu vermeiden. So wurden den Personennamen im
späten Mittelalter Familiennamen hinzugefügt, die bald erblich
wurden. Dabei erhielten Kinder die Taufnamen ihrer Väter oder
Mütter als Familiennamen. In diesen auf Taufnamen
zurückgehenden Familiennamen spiegelt sich bis heute der teils
noch germanische, teils bereits der christliche Namensbestand
des Mittelalters wider. Andere Zunamen lassen sich ihrer
Entstehung nach in drei Hauptgruppen unterteilen: sogenante
“Übernamen, Berufsnamen und Herkunftsnamen.“
Seit
dem 12. Jahrhundert hatten sich die
Beziehungen zwischen dem König und seinen Vasallen, den
Lehensträgern, gewandelt. War ursprünglich das Lehen dazu
bestimmt, den persönlichen Unterhalt des Vasallen zu sichern
und ihm genügend Vermögen zu schaffen, um seinem Herrn die
verlangten dienste leisten zu können, so trat nun eine
Änderung ein: Man wurde immer mehr Vasall, um bloß die
wirtschaftlichen Gewinne des Lehens zu bekommen.
Die
persönliche Beziehung und der Dienst als Lehensmann traten
zurück. Durch Anhäufung von Grundbesitz und königlichen
Rechten (Münzprägung, Steuer – und Finanzhoheit,
Blutgerichtsbarkeit, Recht zum Bau von Burgen und andere mehr),
die sie dem König in langen Auseinandersetzungen abgetrotzt
hatten, beherrschten die hohen Adeligen nun ihr Land. Ergänzt
wurde ihre Macht noch durch persönlichen Besitz an Grund und
Boden (Domäne), den sie durch Königsschenkung oder Vererbung
erworben hatten. Regionale Machtträger, z.B. Grafen oder
Markgrafen, wurden so zu Landesfürsten.
Um im deutschen Reich überhaupt noch regieren zu
können, mussten sich die Königsdynastien des Spätmittelalters
(Habsburger, Wittelsbacher, Luxemburger) eine eigene Hausmacht
aufbauen. Die Reichsfürsten wurden durch die Tatsache
begünstigt, dass ihre Lehen erblich waren, dass sie aber die
in ihren Ländern anfallenden Lehen zu ihren Gunsten einziehen
konnten. Auf diese Weise entstand aus dem mittelalterlichen
Personenverbandsstaat der spätmittelalterliche und
neuzeitliche Flächenstaat. Die Landesherren ihrerseits
erfuhren bei der Ausübung ihrer Herrschaft eine Beschränkung
durch die Landesstände. Diese setzten sich aus Vertretern des
Adels, der Geistlichkeit und der Städte zusammen. Die
Landesstände spielten in den österreichischen Ländern eine
ganz besondere Rolle. In Tirol und Vorarlberg waren auch die
Bauern darin vertreten. Die Landstände wirkten bei der
Gesetzgebung und Verwaltung des Landes mit und besaßen vor
allem das Steuer – und Truppenbewilligungsrecht.Ihre
Versammlungen hießen Landtage:
Die Vergrößerung der
habsburgischen Hausmacht
Maximilian der I.
heiratet 1477 die Erbtochter Karls des Kühnen,
Maria von Burgund.
Er gewinnt damit ein wirtschaftlich reiches Land, zu dem auch
Holland und Flandern gehören. Mit ihrer gezielten
Heiratspolitik steigen die Habsburger zur mächtigsten Dynastie
der damaligen Zeit auf.
Maximilians einziger Sohn
Philipp
heiratete die spanische Prinzessin
Johanna.
Durch den Tod des spanischen Kronprinzen konnte Philipp die
Regierung in diesem Land mit den spanischen Kolonien in
Amerika übernehmen. Der eine Sohn Philipps, Karl V.,
begründete dann die spanische Linie des Hauses Habsburg.
Der andere Sohn,
Ferdinand I., wird
1515
von seinem Großvater, Kaiser Maximilian, Anna von Böhmen und
Ungarn versprochen und gleichzeitig wird seine Enkelin
Maria
mit Ludwig II.
von Ungarn verlobt. Damit sollte eine wechselseitige Erbfolge
gesichert werden. Mit Ferdinand I. wurde die
österreichische Linie des Hauses Habsburg begründet, die
Kaiserwürde verblieb fortan beim Hause Österreich. Als Ludwig
von Ungarn 1526
in der Schlacht von Mohadc gegen die Türken fiel, konnte
Ferdinand aufgrund der geschloßenen Heirats – und Erbverträge
die Herrschaft in Böhmen und Ungarn antreten. Der
habsburgische Donaustaat war damit entstanden. Maximilian
selber heiratet in zweiter Ehe Bianca Sforca von Mailand und
sichert sich dadurch Erbansprüche auf die Hälfte Oberitaliens.
Durch den Erbfolgestreit mit Bayern gewinnt Maximilian zudem
Kufstein, Kitzbühel und Rattenberg. Im Kampf mit Venedig
fallen ebenfalls die durch Erbverträge mit Österreich
verbundenen Lande Görtz, Gradiska, das Pustertal und Istrien
an das Haus Habsburg.
Wenn Maximilian als deutscher Kaiser wenig Erfolg bei
seinen Reformen zu verzeichnen hatte, so setzte er doch
wirksame Massnahmen in den österreichischen Ländern. Er
schloss die östlichen und westlichen Länder zu je einer
Verwaltungseinheit zusammen, deren Mittelpunkte Wien bzw.
Innsbruck waren. Der Enkel und Nachfolger Maximilians als
deutscher König, Karl V.,
war mit Österreich, Spanien und seinen amerikanischen
Besitzungen sowie den Niederlanden der mächtigste Herrscher
Europas. Für die Wahl Karls zum deutschen König
1519
gaben seine Geldgeschenke den Ausschlag. Seine Geldgeber waren
dabei Fugger. Um die Verwirklichung der kaiserlichen
Alleinherrschaft zu erreichen, musste sich Karl nach drei
Richtungen hin durchsetzten: Gegen den französischen König,
gegen die protestantischen Reichsstände und gegen den Papst.
Karl übergab 1521
seinen Bruder Ferdinand die österreichischen Länder und die
Nachfolgerechte auf Böhmen und Ungarn. Damit wurde die
österreichische Linie des Hauses Habsburg begründet, die
Kaiserwürde sollte fortan beim Hause Österreich verbleiben.
Nach fünf kriegen gegen Frankreich, die vor allem in
Oberitalien ausgefochten wurden, konnte
Karl V.
mit dem französischem König Franz
I. zwar zu einem
Kompromiss gelangen (Karl verzichtete auf Burgund, Franz auf
Mailand), doch waren 1529
die Türken mit einem Heer von 120.000 Mann nahezu unbemerkt
bis Wien vorgedrungen. Ein Bewusstsein, gemeinsam gegen die
Türken vorzugehen, war im Reich nicht vorhanden. Doch dank
eines Schlechtwettereinbruchs konnte die kleine Besatzung
Wiens sich gegen die Türken behaupten. Zudem waren die
diplomatischen Kontakte zwischen Istanbul und Paris in dieser
Zeit gegen die Habsburger gerichtet. Und von den
protestantischen Reichsständen war keine Unterstützung gegen
die Türken, sondern zusätzlicher Widerstand zu erwarten (Schmakaldischer
Krieg.) Die Reichstände verbündeten sich schon in dieser Zeit
mit dem französischen König gegen den Kaiser.
Mit dem Augsburger Religionsfrieden
1555
waren viele Bauern, Bürger oder Adelige, die in ihrem
religiösen Bekenntnis nicht mit dem Landesherrn
übereinstimmten, gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Von
dieser Zeit an sind viele Menschen aus dem vorwiegend
katholischen Österreich in oft weit entlegene Landschaften
ausgewandert, im
17.
Jahrhundert auch nach Übersee. Kaiser
Maximilian II.
war ein Sympathisant der Protestanten. In seiner
Regierungszeit bekannte sich der überwiegende teil der
Österreicher zum Protestantismus. Der kunstsinnige
Rudolf II.
verlegte seine Residenz nach Prag und überließ die politischen
Entscheidungen seinem Bruder Matthias. Rudolf selber verblieb
schließlich nur noch Böhmen und die Kaiserwürde. Er sicherte
den böhmischen Ständen im
“ Majestätsbrief“
Religionsfreiheit. In Deutschland schien der Zerfall der
zentralen Herrschaftsgewalt des
Kaisers
unaufhaltsam. Es kam sogar zur Auflösung des
Reichskammergerichtes und des Reichstages.
Nun
entstanden militärische Bündnisse: Die Protestanten schlossen
sich unter der Führung des Kurfürsten von der Pfalz zur Union
zusammen, der unter anderem Nord – und Ostdeutschland sowie
Böhmen angehörten, die im Dreissigjährigen Krieg aber auch
Unterstützung von Skandinavien erhielt. Die katholischen
Fürsten gründeten die Liga, der neben Bayern und Österreich
auch Frankreich, Spanien, Italien und das Rheinland angehörten.
Der weltweite Kampf der Gesinnungsblöcke, dem sich alsbald
auch wirtschaftliche, nationale und machtpolitische Strömungen
beimengten, bestimmt die ersten Jahrzehnte des
17.
Jahrhunderts. Erst 1619
vereinen sich durch Aussterben der beiden anderen Linien alle
österreichischen Erblande wieder unter
Ferdinand II.
Mit ihm ergriff ein Mann der fanatischen (katholischen)
Gegenreformation die Zügel. Die Kirche hatte sich schon gegen
Ende des 16.
Jahrhunderts in Österreich durch die eifrige Tätigkeit der
Jesuiten erneuert.
Nach
dem Prager Fenstersturz
1618
erklärten die böhmischen Adeligen den Habsburger
Ferdinand II.
für abgesetzt und ernannten
Friedrich von der Pfalz zu
ihrem König.Nach dem Sieg der Liga über die Union am Weissen
Berg (1620)
hielt Ferdinand II.
ein strenges Strafgericht. Die Güter aller Aufständischen
wurden beschlagnahmt, sie selber mussten das Land verlassen.
Eine neue Landesordnung machte aus Böhmen ein habsburgisches
Erbkönigtum.
Die
Kosten der Kriegsführung in Böhmen hatte Maximilian von Bayern
übernommen. Dafür musste Ferdinand das Land Oberösterreich an
Bayern verpfänden, das bedeutete für die Bauern erhöhte
Abgaben. Dazu trieben die Habsburger die Gegenreformation in
diesem sehr zahlreich von Protestanten bewohnten Land voran (
Frankenburger Würfelspiel.) Ein gewaltiges Bauernheer fügte
dem bayrischen Statthaltereine schwere Niederlage zu und
belagerte Linz. Nach langen Kämpfen unterlagen aber die Bauern.
Das Land war verwüstet. Rund 15.000 Bauern verloren ihr Leben.
Damit waren Bauernaufstände in Österreich sowohl
1525
als auch hundert Jahre später letztlich gescheitert. Die
gänzliche Befreiung der Bauern sollte erst
1848
erfolgen.
Der
Sieg der katholischen Liga über Böhmen bedeutete eine
glückliche Stunde für das Haus Österreich, und wer bares Geld
und gute Beziehungen besaß, konnte die konfiszierten Güter und
Vermögen der Protestanten erwerben und über Nacht reich werden.
Keiner verstand die Situation besser zu nutzen als Albrecht
Wenzel Eusebius von Wallenstein, der als Kürassierobrist am
Weissen Berg mitgeholfen und sich Verdienste erworben hat. Der
böhmische Adelige wechselte nach dem Besuch einer
Jesuitenschule zum katholischen Glauben, heiratete eine reiche
Witwe und erwarb auf billigste Weise mehr als 60 Güter der
vertriebenen oder getöteten protestantischen böhmischen
Adeligen und verwendete diese Mittel zum Aufstellen einer
Privatarmee. Er heuerte Soldaten an, egal, woher sie kamen
oder welchen Glauben sie hatten, zahlte ihnen Sold und
vermietete sie an den Kaiser weiter. Diese Söldnerheere wurden
überall zu einer Landplage, denn Wallensteins Grundsatz war:
“Der Krieg muss den Krieg ernähren.“ Damit entwickelte
Wallenstein als neuer starker Mann beim Kaiser auch einen
neuen Kriegsstil. Da Wallenstein den deutschen Fürsten zu
mächtig wurde, betrieben sie beim Kaiser erfolgreich seine
Absetzung. Als aber Gustav Adolf, der schwedische König, bis
an die Grenzen der habsburgischen Länder vordrang, musste ihn
ein gedemütigter Kaiser wieder als obersten Heerführer mit
außerordentlichen Vollmachten einsetzen. Mit einem Riesenheer
von 120.000 Mann drängte er den Schweden wieder nach
Norddeutschland zurück und begann danach, auf eigene Faust mit
den Gegnern zu verhandeln. In der Geschichtsforschung herrscht
bis heute keine Klarheit über die Pläne und Ziele Wallensteins
bei diesen Verhandlungen. Der Wiener Hof verdächtigte ihn des
Verrats und enthob ihn seines Kommandos. Wallenstein wurde
1634 von kaiserlichen Offizieren in Eger ermordet. Der 30 –
jährige Krieg ist damit aber nicht zu Ende.
Nachdem
schon früher fremde Mächte, wie Dänen und Schweden, von
Holland und England unterstützt, für die Protestanten in den
Kampf marschiert sind, greift jetzt auch das katholische
Frankreich auf protestantischer Seite in den Krieg ein, da es
an einer dauernden Machtverminderung des Hauses Habsburg
interessiert ist. Schwedische Truppen dringen in der Endphase
noch bis in Sichtweite von Wien vor. Der Krieg wird
1648
mit dem Westfälischen Frieden (Osnabrück und Münster) beendet.
Österreich hat zwar die Kaiserkrone behalten – aber
sie ist nichts mehr wert. Das Reich ist in 372 beinahe
souveräne Fürstentümer und mehr als 2.000 größere und kleinere
Herrschaftsgebiete zerfallen. Schweden und Frankreich erhalten
Sitz und Stimme im Reichstag, die Schweiz und die Niederlande
scheiden entgültig aus dem Reichsverband aus. Der Kaiser
besitzt außerhalb seiner österreichischen Erblande kaum noch
Einfluss. Und selbst in diesen Landen, die weniger vom Kriege
getroffen sind als das übrige Reich – dort wurde die
Bevölkerungszahl um ein drittel, in manchen Teilen des Reiches
um die Hälfte reduziert – nehmen wirtschaftliche und
menschliche Not zu. Denn in den folgenden Jahrzehnten müssen
an die 40.000 Exulanten Österreich, 160.000 Protestanten
Böhmen verlassen, wenn sie es ablehnen, katholisch zu werden.
Unter den Kriegsfolgen hatte besonders die bäuerliche
Bevölkerung zu leiden, denn ihre Felder waren verwüstet und
ihre Dörfer zerstört.
Österreich wird Großmacht im 18.
Jahrhundert
Seit dem frühen
15.
Jahrhundert hatten Türken die Süd – und Ostgrenze der
habsburgischen Erbländer immer wieder angegriffen. Nachdem
1529
der erste Türkenansturm abgewehrt werden konnte, wurde die
Südostgrenze immer mehr mit Flüchtlingen besiedelt, die als
Wehrbauern bis ins 19.
Jahrhundert entscheidend zur Sicherung des habsburgischen
Reichsgebietes beitrugen.
Als aufständische Ungarn im Jahr
1683
die Türken um Hilfe gegen die Habsburger riefen, entsandte der
Sultan seinen Großwesir Kara
Mustafa mit einem Heer von
200.000 Mann gegen Österreich. In Wien standen nur 16.000
Verteidiger zur Verfügung, doch befanden sich die
Befestigungen der Stadt in gutem Zustand. Tausende von
Menschen, vor allem der Adel, flohen aus den bedrohten
Gebieten. Nur größere Städte wie Wiener Neustadt oder Stifte
wie Melk und Klosterneuburg konnten sich erfolgreich zur Wehr
setzen. Die Bevölkerung kleinerer Orte erlitt jedoch ein
grausames Schicksal. Am 12. September
1683 besiegte ein Ersatzheer unter der
Führung des Polenkönigs Sobieski und Herzogs Karl von
Lothringen, unterstützt vom Papst, sowie von den Kurfürsten
Bayerns und Sachsens, mit ungefähr 75.000 Mann die Türken
vernichtend.
Kaiser
Leopold I.
begnügte sich diesmal nicht mit der Abwehr des gefährlichen
türkischen Angriffes, sondern ging selbst zur Offensive über.
1686
konnte die ungarische Hauptstadt nach fast 150 – jähriger,
türkischer Herrschaft erobert werden. Nun wurde Ungarn, wie
Böhmen 1620,
habsburgische Erbmonarchie, Schließlich besiegten
1697,
der neuernannte Oberbefehlshaber Prinz Eugen von Savojen ein
türkisches Heer entscheidend bei Zenta. 15 Jahre später nahm
Prinz Eugen Belgrad ein. Durch den Frieden von Passarovitz
(1718) erreichte Österreich seine größte territoriale Ausdehnung.
Österreichs größte Ausdehnung
(1718)
Die zweite Türkenbelagerung
hatte vor allem dem südlichen Niederösterreich gewaltigen
Schaden zugefügt. Eine zeitgenössische Publikation spricht von
über 88.000 Verschleppungen. Dazu kam, dass zwei Pestepidemien
vor allem Wien, Niederösterreich und die Steiermark verheerten.
Nach Eroberung Ungarns wurden viele wirtschaftlich
heruntergekommende Gebiete mit neuen Siedlern besetzt.
Schwaben, Franken, Rheinländer, Deutsch – Böhmen und
Niederösterreicher wurden im Grenzgebiet von Kroatien und
Slavonien angesiedelt. Diese Siedler – man nannte sie
“Donauschwaben“ – erhielten Grund und Boden sowie andere
Privilegien sowie Steuerfreiheit für drei Jahre. Diese von
Wien veranlasste Neubesiedlung folgte in drei Wellen von
1722 bis 1787.
Im spanischen Erbfolgekrieg
(1701 – 1714)
– sowohl der französische König
Ludwig XIV.
als auch der österreichische Kaiser Leopold I. stellten nach
dem Tod des letzten spanischen Habsburgers
Karl II.
Nachfolgeansprüche – trat eine europäische Koalition auf die
Seite des Kaisers. Im Zusammenwirken mit dem englischen
Feldherrn Malborough
schlug
Prinz Eugen
die Franzosen in vielen Schlachten.
Als allerdings
Karl VI.
nach dem unerwarteten Tod seines älteren
Bruders Joseph I.
auch die Herrschaft in den Erblanden übernahm und eine
Vorherrschaft der Habsburger drohte, schlossen die Seemächte
mit Frankreich 1713
den Frieden von Utrecht,
Philipp von Anjou
erhielt Spanien und die Kolonien; die Spanischen Niederlande (Belgien),
Mailand, Neapel und Sardinien fielen an
Karl VI.
War es im 17.Jahrhundert
Frankreich unter der Regierung
Ludwigs XIV.
gelungen, die spanische Vormachtstellung durch die eigene zu
ersetzen, so trat mit dem Ende des spanischen Erbfolgekrieges
an die Stelle dieser Tendenzen das System des europäischen
Gleichgewichtes. Vier Großmächte (Frankreich, Russland,
England, Österreich) standen gleich mächtig nebeneinander. Im
Laufe des 18.
Jahrhunderts trat Preussen als fünfte Großmacht hinzu. Das
deutsche Reich war in viele größere oder kleinere
Herrschaftsbereiche zerfallen: es zählte nicht mehr als
Großmacht. Die Erhaltung dieses Gleichgewichtes wurde durch
diplomatische Konferenzen, durch einen Wechsel der Koalitionen
und immer wieder durch Kriege angestrebt.
Der Triumph des absoluten
Herrschers über die Türken und der Sieg der katholischen
Kirche über den Protestantismus bildeten die Grundlage für ein
neues Weltbild. Der von Gottes Gnaden allein regierende Fürst
zeigte seinem Volk seine Macht und seinen Reichtum. Dieses
Volk war zu einer Masse unselbständiger Untertanen
herabgesunken. Die Residenz des Kaisers, aber auch die Paläste
seiner adeligen Herren wurden mit verschwenderischem Luxus
ausgestattet. Die neue Barockkunst kam dabei den Absichten der
hohen Herren entgegen. Sie hatte sich aus der Renaissance
entwickelt und stammte wie diese aus Italien.
In Harmonie mit den
absolutistischen Herrschern zeigten die Jesuiten den Menschen
ein Gottesreich, dessen Abglanz schon hier auf Erden für alle
sichtbar wurde. Wie der Kaiser ein prunkvolles Schloss
bewohnte, so wurde auch dem höchsten Herrn eine Königshalle
gebaut, wo das viele Gold den Eintretenden blendete. Christus
zeigte sich in erster Linie als König der Welt, nicht so sehr
als der Leidende, der sich den Erniedrigten und Beleidigten
zuwandte. Berühmte Zeugnisse des Barock in Österreich sind die
Karlskirche in Wien von Johann Bernhard Fischer von Erlach,
das Schloss Belvedere in Wien, errichtet von Lukas von
Hildebrandt als Sommerpalast für den Prinz Eugen, sowie unter
vielen anderen Kirchen die Stiftskirche von Melk.
Diese prächtigen Paläste und
Kirchen des Barock dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass
es daneben Armut und soziale Randschichten gab. Die
Bettlerpatente und Armenordnungen unterschieden zwischen
Bettlern und Armen, die von der Gesellschaft anerkannt und
solchen, die von ihr geächtet wurden. Nur mehr die
Arbeitsunfähigkeit wurde als Voraussetzung für karitative
Unterstützung anerkannt. Sogenannte arbeitscheue Elemente
wurden zwangsrekrutiert für das Militär oder für Ruderdienste
oder zu Zwangsarbeit in den oberungarischen Bergwerken
herangezogen. Daneben gab es im
17.
Jahrhundert bereits Arbeitshäuser. Angehörige wichtiger Berufe
wie Müller, Weber, Bader, Töpfer oder Totengräber wurden als
“unehrliche Leute“ gemieden. Auch Zigeuner waren Außenseiter
der Gesellschaft. Sie galten noch im
17. und frühen
18.
Jahrhundert als vogelfrei.
Der Merkantilismus wurde in
Österreich zur Regierungszeit
Karls VI., also in der ersten
Hälfte des 18.
Jahrhunderts, nur zögernd verwirklicht. Mit staatlicher Hilfe
entstanden in dieser Zeit Spiegel -, Porzellan -, Tabak – und
Baumwollmanufakturen.
Karl VI.
wollte dem eventuellen Mangel eines männlichen Erben vorbeugen,
zu diesem Zweck erließ er 1713
die Pragmatische Sanktion: Die österreichischen Erbländer
werden darin für “unteilbar und untrennbar“ erklärt; weibliche
Nachfolge ist vorgesehen. Aufgrund dieses ersten
Staatsgrundgesetzes der Habsburgermonarchie trat
siebenundzwanzig Jahre später
Maria Theresia die Herrschaft
in den österreichischen Erbländern an.
Für die internationale
vertragliche Anerkennung dieses habsburgischen Hausgesetzes
zahlte Österreich einen hohen wirtschaftlichen und politischen
Preis. Diese Gelder fehlten dann zur Ausrüstung einer
schlagkräftigen Armee. Denn gleich nach dem Tod
Karls VI.
1740
schlossen sich die Gegner des Hauses
Habsburg, nämlich Frankreich, Spanien, Sardinien, Bayern und
Sachsen zu einer Koalition gegen Österreich zusammen. Dazu kam
unerwartet ein anderer gefährlicher Gegner:
Friedrich II.
von Preussen. Der bayrische Kurfürst
Karl Albrecht
marschierte in Oberösterreich ein und drang bis Prag vor, wo
er sich zum böhmischen König krönen ließ. Wenig später
erfolgte seine Krönung zum römisch – deutschen Kaiser in
Frankfurt (Karl VII.
1742 – 1745.)
Damit unterbrach ein Herrscher aus dem Hause Wittelsbach die
Jahrhunderte währende Reihe der habsburgischen Kaiser.
Mit ungarischer und
englischer Hilfe – England führte gleichzeitig einen
Kolonialkrieg gegen Frankreich in Nordamerika und Vorderindien
– wurden Bayern und Franzosen aus Böhmen vertrieben und Bayern
konnte sogar besetzt werden. Der Kurfürst verzichtete gegen
die Rückgabe Bayerns auf alle Ansprüche Österreich.
1745
wurde Franz von Lothringen, der Gemahl Maria Theresias, mit
Zustimmung Friedrichs II.
zum römisch – deutschen Kaiser gewählt. Dank eines Bündnisses
mit Russland musste Österreich im Frieden von Prag
(1748)
nur zwei kleine italienische Fürstentümer abtreten, alle
beteiligten Mächte anerkannten nun die Pragmatische Sanktion.
Österreich hatte seine Stellung als Großmacht behauptet. In
den folgenden Jahren wurde das Heeres – und Finanzwesen
reformiert.
Dem Staatskanzler
Kaunitz
gelang es, Frankreich als neuen Bündnispartner zu gewinnen,
Preussen hatte sich hingegen mit England arrangiert. Seit dem
15.
Jahrhundert hatte der Gegensatz zwischen Frankreich und den
Habsburgern die europäische Geschichte beherrscht. Der
Aufstieg Preussens zur zweiten deutschen Großmacht verursachte
eine bis 1866
dauernde Auseinandersetzung zwischen
Preussen und Österreich um die Vormacht in Deutschland. Um der
feindlichen Koalition zuvorzukommen, eröffnete
Friedrich II,
den 7 – jährigen Krieg (1756.)
Nach wechselvollem militärischen Verlauf musste Österreich
1763
endgültig auf das industriereiche Schlesien verzichten. Der
Hauptgewinner dieser Auseinandersetzung blieb England.
Österreich konnte die verschiedenen außenpolitischen Krisen
nur bewältigen, weil Maria
Theresia entscheidende
Reformen durchführte. Im Heer wurde die Aushebung der
Bauernsöhne und Taglöhner für den lebenslänglichen
Militärdienst eingeführt. Die Ausbildung der Offiziere
erfolgte in der neu gegründeten Wiener Neustädter und Wiener
Akademie (Theresianum.) Maria Theresia unterwarf den bisher
abgabenfreien Grundbesitz des Adels und der Geistlichkeit der
Steuerpflicht. Zur praktischen Durchführung dieser
Steuerreform ließ sie eine Volkszählung machen, die Häuser
nummerieren und ein Grundbuch anlegen. Die Verwaltung wurde
zentralisiert. Die böhmisch – österreichischen Erbländer
wurden in Gubernien (etwa Landesregierungen) und diese wieder
in Kreisämter gegliedert (Bezirkshauptmannschaften.) Die
Zentrale bildete die Vereinigte böhmisch – österreichische
Hofkanzlei (Innenministerium.) Sie schaltete damit die
ständische Verwaltung aus. Die Beziehung mit dem Ausland
betreute die Haus -, Hof – und Staatskanzlei. Verwaltung,
Justiz (oberste Justizstelle) und Finanzen (Hofkammer) wurden
streng voneinander getrennt. Der Staatsrat hatte die Aufgabe,
die Arbeit der einzelnen Ministerien aufeinander abzustimmen
und die Herrscherin zu beraten.
Die Rechtspflege wurde, entsprechend dem Geist der
Aufklärung, verbessert, die Folter wurde als Beweismittel
abgeschafft, das Strafrecht wurde in der “allgemeinen
peinlichen Halsgerichtsordnung“ zusammengefasst und die
Abfassung des Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuches wurde
begonnen, aber dann erst 1811
vollendet. Daneben ließ Maria
Theresia die “allgemeine
Schulordnung“ ausarbeiten.
Joseph II.
begann nach dem Tod seiner Mutter Maria Theresia
(1780)
eine Reihe überstürzter Reformen. Er wollte in kürzester Zeit
einen zentralen Wohlfahrts – und Einheitsstaat errichten und
nahm dabei keine Rücksicht auf historische Traditionen oder
religiöse Gefühle. Auf dem Gebiet des Rechtsweges legte er
einen einheitlichen Instanzentzug fest. Die Todesstrafe wurde
mit Ausnahme des Verbrechens des Aufruhrs abgeschafft.
Als erster europäischer Fürst
verkündete Joseph
in seinem Toleranzpatent die
Zulassung aller christlichen Konfessionen. Großes Aufsehen
verursachte der Kaiser mit der Aufhebung rund eines Drittels
all jener Klöster, deren Mitglieder keinen sichtbaren Nutzen
für die Gesellschaft erbrachten. Er ließ nur die Orden
bestehen, die sich der Seelsorge, der Krankenpflege oder dem
Unterricht widmeten. Anderseits gründete
Joseph II.
an die 3.000 neue Pfarrstellen, um die Seelsorge zu verbessern.
Das beschlagnahmte Vermögen der aufgelösten Klöster wurde dem
Religionsfonds zugeführt, der zur Finanzierung kirchlicher
Einrichtungen und der Armenhilfe verwendet wurde. Eingriffe
Josephs
in die religiösen Gebräuche erregten eine arge Missstimmung in
breiten Schichten der Bevölkerung.
Josephs
Reformen waren zwar von sozialem
Denken geleitet, doch ging er allzu hastig an ihre Umsetzung
heran. Er hob die Leibeigenschaft der Bauern auf und plante
sogar die Enteignung großgrundbesitzender Adeliger. In Wien
errichtete er das allgemeine Krankenhaus, ein
Taubstummeninstitut, Waisen – und Invalidenhäuser und die
erste Irrenanstalt der Welt.
Joseph II. hatte keine Kriege
zu führen, das Innviertel war noch zu Lebzeiten
Maria Theresia
(1779)
von Bayern an Österreich gekommen. Ist
Maria Theresia
als Mutter des Vaterlandes in die Geschichte eingegangen – man
denke an das Bild, als sie den sechsjährigen
Wolfgang Amadeus Mozart in ihrer Residenz
im Schloß Schönbrunn empfängt -,so gilt Joseph als der
aufgeklärte Despot, der Volkskaiser oder, wie es auch hieß,
der “Bauern Gott, des Adels
Spott.“ Als Joseph II. starb
(1790),
war Europa im Umbruch, begann eine neue Ära, die Ära der
französischen Revolution, die Zeit
Napoleons
und die Zeit des nationalen Aufbruchs.
Napoleon, der Wiener Kongress
und Metternich
Die Französische Revolution erweckte
auch in Österreich beim intellektuellen Bürgertum den Wunsch
nach Freiheit und Veränderung des Systems, insbesondere die
Freimaurerei hatte in Wien ihre Anhänger. Da aber der Wiener
Hof durch die Ehe Marie
Antoinettes, einer Tochter
Maria Theresias,
mit dem französischen König
Ludwig XVI. mit dem Schicksal
der Burbonen eng verbunden war, waren die Habsburger die
natürlichen Anführer einer europäischen Koalition gegen das
revolutionäre Frankreichs. Die Zeit von
1792 bis 1814
war voller Unruhe, Kriege und Veränderungen der politischen
Konstellation Europas.
Die Radikalisierung in
Frankreich, insbesondere die Enthauptung Marie Antoinettes und
der Terror Robespierres, Schreckten auch die Menschen in
Österreich, doch der militärische Siegeszug
Napoleons
machte auch vor Österreich nicht Halt, wenngleich er
1809
seine erste Niederlage bei Aspern ( nördlich von Wien)
hinnehmen musste. Ansonsten aber gab es für Österreich gegen
Napoleon nur Niederlagen und Gebietsverluste:
1797
musste es auf Belgien und die Lombardei verzichten,
1805
verlor es auch Venetien, Istrien, Dalmatien, Tirol und
Vorderösterreich und 1809
noch Südtirol, Salzburg, das Innviertel und Galizien.
Wichtiges politisches
Ergebnis der napoleonischen kriege war aber für Österreich der
sogenannte “Reichsdeputationshauptschluß“ (Aufhebung der
Souveränität von 112 deutschen Kleinstaaten und der
geistlichen Fürstentümer.)Dafür wurden neue Mittelstaaten wie
das Königreich Bayern, das Herzogtum Württemberg und das
Großherzogtum Baden geschaffen.
1806
legte Kaiser Franz II.
die Krone des “Heiligen römischen Reiches deutscher Nation“
nieder, nachdem er sich bereits
1804
zum Kaiser von Österreichs erklärt hatte. Nach der dritten
Niederlage Österreichs gegen Napoleon
1809
tritt in Österreich eine Wende ein: Der ehemalige Pariser
Gesandte Metternich
wird Staatskanzler. Er betreibt eine
Politik des Ausgleichs mit Frankreich und leitet die heirat
der Kaisertochter Maria Luise
mit Napoleon in die Wege. Wirtschaftlich ist Österreich durch
die vielen Kriege ausgeblutet. Inflation und Preissteigerungen
erschüttern das Land. 1811
musste die Regierung den Staatsbankrott erklären.
Die französische
Revolutionsarmeen, die Europa die neuen Ideen des
Nationalismus und des beginnenden Sozialismus, der Freiheit
der Menschenrechte und Gleichheit gebracht hatten, wurden
1813
und 1814
endgültig besiegt, aber die Ideen lebten weiter, auch im
Bewusstsein der Völker des österreichischen Kaiserreiches.
Doch den Fürsten ging es 1814
auf dem Wiener Kongress in
erster Linie um die Wiederherstellung der politischen
Verhältnisse vor 1789
und um die Verdrängung all dessen, was die französische
Revolution gebracht hatte. Restauration und Legitimität waren
die Grundsätze, und Solidarität bedeutete gemeinsames Vorgehen
der Legalen Fürstenhäuser Russlands, Preussens und Österreichs
zur Unterdrückung aller revolutionären Regungen. Das
Instrument dafür hieß “ heilige Allianz“.
Diese konservativ –
reaktionäre politische Richtung wurde vom österreichischen
Staatskanzler
Fürst Metternich
bestimmt, mit dem Wiener Kongress genoss Österreich höchstes
internationale Prestige. Gleichzeitig geriet es dadurch in
eine neue Wirtschaftskrise. Die in der napoleonischen Zeit
verlorenen Gebiete bekam Österreich allerdings wieder zurück,
mit Ausnahme der österreichischen Niederlande, die mit den
unabhängigen nördlichen Niederlanden vereinigt wurden.
Anstelle des deutschen Reiches entstand der deutsche Bund mit
39 weitgehend souveränen Einzelstaaten.
Europa nach dem Wiener Kongress
1814/15
Die Schaffung des deutschen
Bundes schob der Idee eines national geeinten Deutschlands
unter Preussens Führung den Riegel vor. Die Bundesgewalt lag
bei einer ständigen Konferenz von weisungsgebundenen Gesandten.
(Der bundestag war in frankfurt am Main unter dem Vorsitz
Österreichs.) Überdies waren die Befugnisse des Bundestages
sehr beschränkt und vor Beschlüssen war Einstimmigkeit
notwendig, was fast jede Entscheidung verhinderte. Günstig für
die Bevölkerungsentwicklung war die Gewährung der
Freizügigkeit, durch die der Wohnsitzwechsel innerhalb des
Gebietes leicht gemacht war. Österreich war nur mit seinen
deutschsprachigen Gebieten Mitglied des deutschen Bundes, was
eine Stärkung der nichtdeutschen Nationalitäten Österreichs
bedeutete. Der Dualismus der Großmächte Österreichs und
Preussen war in dieser Organisation von vornherein abzusehen.
Auf das Turnfest auf der Wartburg
(1817),
eine öffentliche Demonstration für ein geeintes Deutschland
gegen den Polizeistaat, antworteten die Fürsten und
insbesondere Metternich mit den Karlsbader Beschlüssen, die
den Beginn des “Metternichschen System“ darstellten: die
Studentenverbindungen und Burschenschaften werden aufgelöst
und die Universitäten unter Polizeiaufsicht gestellt. Die
Turnbewegung wird verboten, eine
Zentraluntersuchungskommission gegen demagogische Umtriebe
wird eingesetzt, alle Gegner des Systems werden überwacht bzw.
inhaftiert. Die Folge war eine große Auswanderungswelle in die
USA, nach Großbritannien oder in die Schweiz. Der Großteil der
österreichischen Bürgertums aber zog sich aus der Politik in
die häusliche Idylle zurück(Biedermeier.)
Auf die Dauer konnten jedoch
die liberalen Ideen nicht unterdrückt werden. Sie brachen in
den Revolutionen von 1848
machtvoll wieder hervor. Besonders das Bürgertum, das
wirtschaftlich einflussreich geworden war, verlangte nach
politischer Mitbestimmung. In Österreich war nach dem Tod
Kaiser Franz I.
(1835)
der schwachsinnige Ferdinand
Kaiser geworden, so dass in Wirklichkeit Metternich regierte,
der Österreich eine über 30 – jährige Friedenszeit brachte,
indem er alle nationalen und liberalen Bewegungen unterdrückte.
Ausgelöst durch die Februarrevolution in Frankreich kam es im
März 1848
zur Erhebung in Wien. Der Kaiser war daraufhin nach Innsbruck,
Metternich nach England geflohen.
Die Donaumonarchie unter Franz
Joseph I. (1848 bis 1916)
Für die Habsburger bedeutete die Revolution
1848/49 eine mehrfache Bedrohung: Einerseits verlangen die Bürger, die Arbeiter
und die Bauern politische und soziale Rechte, anderseits
strebten die Tschechen, Ungarn, Italiener und andere deutsche
Völker nach nationaler Eigenständigkeit. Um den Bestand der
Monarchie zu retten, gab die Regierung zunächst nach. Sie
versprach Presse – und Versammlungsfreiheit, Schwurgerichte
und eine konstitutionelle Verfassung und erließ die Aufhebung
der Grunduntertänigkeit der Bauern. Aufstände, auch in Böhmen
und Italien, werden mit Militärgewalt niedergeschlagen. Das
Heer erweist sich als verlässliche Stütze der Habsburger, und
als im Oktober 1848
Arbeiter und Kleinbürger radikale Forderungen stellen,
distanziert sich auch das Großbürgertum von der Revolution.
Die Führer der Aufständischen werden nun erschossen, der nach
Olmütz geflohene Hof hebt den kaum 19 – jährigen
Franz Joseph
im Dezember 1848
auf den Thron. Dieser kann im folgenden Jahr mit russischer
Militärhilfe und mit
Feldmarschall Radetzky auch
den ungarischen Aufstand niederschlagen und eine
Militärdiktatur errichten.
Die Finanzen des Habsburger Staates sind in
katastrophalen Zustand. Die nationalen Strömungen der
Landesteile gingen weiter, und die Germanisierungspolitik
verbittert Slawen, Ungarn, Italiener, Kroaten und Slowenen.
1853
misslingt ein Attentat eines ungarischen Studenten auf
Franz Joseph
knapp. Jetzt endlich erlässt
Fürst Schwarzenberg eine
zentralistische “oktroyierte Gesamtverfassung“, die die
nichtdeutschen Völker benachteiligt. Im Krimkrieg von
1853
bis 1856
verhält sich Österreich so schwankend, dass es am ende mit
beiden Parteien verfeindet ist und vor allem die Russen
gründlich verstimmt. 1859
bricht aus dem Freiheitsstreben Italiens noch einmal Krieg
hervor: bei Malgenta und Solferino wird das große
österreichische Heer von den durch Frankreich unterstützten
Sardinier Piemontesen geschlagen. Die gesamte Lombardei geht
an Italien verloren.
Die neue Zeit, angereichert durch die industrielle
Revolution und die soziale Frage, schreitet unaufhaltsam voran.
Die Bevölkerungszahl Wiens steigt von
440.000
im Jahr 1850
auf 2.031.000
im Jahr 1910
an. Sinnlos sind für die rasch
wachsende, durch Industrie, Handel und ständigen Zuzug vom
Lande anschwellende Stadt Wien die alten Wälle und
Sternbefestigungen geworden. Der Kaiser gibt das Glacis zur
Bebauung frei und die Ringstraße entsteht.
Rückt Österreich
1864
noch an Preussens Seite gegen Dänemark ins Feld, um als
Mitglied des deutschen Bundes die Herzogtümer Schleswig –
Holstein ins Reich zurückzuholen, so wird kurz darauf die
Rivalität der beiden größten deutschen Staaten um die Führung
immer deutlicher. Preussen verbündet sich mit Italien, dann
besetzt es das von Österreich verwaltete Holstein. Die
Kriegserklärung Österreichs ist unvermeidlich. Das Kalkül des
preussischen Ministerpräsidenten
Otto Graf Bismarck
geht auf. Der französische
Kaiser Napoleon III.
sympathisiert bloß mit Österreich, die süddeutschen Staaten
sind offen auf der Seite der Habsburger. Aber die
österreichische Armee ist aus Geldmangel nur unzureichend
ausgerüstet. Die Infanterie schießt noch mit Vorderladern und
alten Ringkanonen, während Preussens Heer moderne
Zündnadelgewehre und geschütze besitzt. Bei Königsgrätz
(1866) siegen die preussischen Armeen unter
General Moltke über die
österreichischen Benedek.
Für die preussischen Truppen war nun der Weg bis zur
Donau frei, die überlegene österreichische Artillerie konnte
lediglich den Rückzug der eigenen Armee decken. Die bunten
Farben der einzelnen österreichischen Regimenter boten nur ein
farbenfrohes Bild, konnten aber die veraltete Ausrüstung
keineswegs wettmachen.
Admiral Tegethoff
gewann zwar bei Lissa eine See – und ein österreichisches Heer
bei Custozza eine Landschlacht gegen
die Italiener, aber der Krieg war für Österreich verloren, die
Entscheidung zwischen den Häusern Hohenzollern – Preussen und
Habsburg - Österreich endgültig gefallen. Im Frieden zu Prag
und Wien verzichtet Österreich auf Schleswig – Holstein und
Venetien. Es tritt aus dem deutschen Bund aus.
Franz Joseph
musste die politischen Konsequenzen aus dieser Niederlage
ziehen und unterzeichnete den Ausgleich
(1867),
einen Vertrag, der Österreich und Ungarn als zwei
selbstständige, nur durch Außenministerium, gemeinsame Armee
und Finanzverwaltung und Personalunion mit dem Kaiserhaus
verbundene Staaten begründet. Damit war die K. u. K. –
Monarchie entstanden (das
erste K stand für Kaiserlich, das zweite für Königlich, soweit
es Ungarn und Böhmen betraf.)
Das regte den Nationalismus der Slawen, vor allem der
Tschechen, gewaltig auf, da sie in diesem Dualismus eine
Zurücksetzung des slawischen Elements sahen. Österreich wandte
sich nach dem Ausscheiden aus dem deutschen Raum nun verstärkt
dem Balkan zu und geriet damit allmählich in einen Gegensatz
zu Russland.
Gegen die Menge der Probleme kommen die schwächlichen
Reformen der Regierung nicht mehr an. Da werden ein
Staatsgrundgesetz, ein Reichsvolksschulgesetz, Kirchengesetze
und ein Gesetz zur allgemeinen Wehrpflicht erlassen. Die Armee
wird langsam und sehr unvollkommen umgerüstet. Die schon früh
in Österreich gemachte Erfindung des Panzerwagens lehnt man
z.B. ab, weil die schönen Kavalleriepferde scheu werden.
Überall fehlt es an Geld, an leistungsfähiger Industrie, an
Energie der Beamtenschaft. 1873
bringt unmittelbar nach der Eröffnung der Wiener
Weltausstellung der große Wiener Bankkrach eine
Wirtschaftskrise. Deutschland hat
1870/71
den Krieg gegen Frankreich gewonnen. Das zweite deutsche
Kaiserreich unter Hohenzollern – Führung ist gegründet.
Bismarcks
Politik beherrscht das Feld.
Der österreichische Kaiser erlebt persönlich eine
Tragödie nach der anderen. 1867
wird sein Bruder Maximilian,
Kaiser von Mexiko, erschossen.
1889 erschießt sich
Kronprinz Rudolf
mit seiner Geliebten in Mayerling.
1898 wird die geliebte, eigenwillige Kaiserin
Elisabeth von einem Anarchisten ermordet.
Das Haus Habsburg – Lothringen zeigt Auflösungs – und
Verbürgerlichungserscheinungen: Der Thronfolger
Franz Ferdinand
geht eine unebenbürtige Ehe ein, der zweitälteste Sohn stirbt
früh, der dritte verliert als
Franz Burg all seine Rechte.
Ein Neffe des Kaisers führt ein kleinbürgerliches Leben,
dessen Schwester Luise,
die den König von Sachsen heiratete, geht mit dem Hauslehrer
Tuselli durch, und ein Vetter ist als
Johann Ort
verschollen.
Neben dem gärenden Nationalismus ist als neue
Sprengkraft der Monarchie der Sozialismus getreten. Schon
1867
hat sich der erste Arbeiterverein in Wien konstituiert.
Viktor Adler
gründet 1888/89
die Sozialdemokratische Partei, die ab
1910,
als das allgemeine, gleiche und geheime wahlrecht eingeführt
wird, rasch an Bedeutung gewinnt. Gegen das aufkommende
Proletariat gründen die Kleingewerbetreibenden und Landwirte
den Christlich – sozialen Verein. Ihr Mann ist
Karl Lueger.
Diese Partei, aber viel mehr noch die Deutschnationalen des
Georg von Schönerer, vertreten die Ideen der Eindeutschung und
des Nationalismus.
Dies alles spielt vor dem Hintergrund einer
zunehmenden Isolierung der Donaumonarchie. Russland schürt den
Panslavismus, weil es mit Hilfe der Serben an die Adria und
mit Unterstützung der Tschechen weiter gegen den Westen
vorzudringen hofft. England und Frankreich sehen in Österreich
den treu an das deutsche Reich gebundenen Verbündeten.
Das Drei – Kaiser – Bündnis, von
Bismarck
geschmiedet, dauert nicht lange. Es wird
1879
durch den Zweibund zwischen Deutschland und der Donaumonarchie
ersetzt und 1882
mit Hinzuziehung Italiens zum
Dreibund erweitert. Die Annexion von Bosnien und Herzogovina
(1908),
die seit dem Berliner Kongress
1878 von Österreich besetzt
waren, führt in Serbien einen neuen, von Russland
unterstützten Feind herauf. Seit
1903
geht die panslavistische Propaganda gegen Österreich – Ungarn
vor allem von Belgrad aus. Hier arbeitet der Geheimdienst an
der Zerstörung des Habsburgerreiches.
Niemand höhrt auf den Thronfolger, Erzherzog
Franz – Ferdinand,
der den Ausgleich mit den Slaven anstrebt, indem er einen
Trialismus, mit einem eigenen slavischen geleiteten Reichsteil,
vorschlägt. Der alte Kaiser und sein Kabinett pflegen die alte
Konstruktion der Monarchie mit Polizei, Zensur, Gericht und
Militär. Der Mann des Ausgleichs,
Franz – Ferdinand,
wurde durch die Pistolenschüsse des bosnischen Studenten
Gavril Princip am 28. Juni 1914
in Sarajewo ermordet.
Damit sollte eine mehr als 40 – jährige Friedenszeit
für Österreich zu Ende gehen. Nach vierwöchigem Zögern und
diplomatischem Verhandeln richtet Österreich ein hartes
Ultimatum an Serbien, dessen Geheimorganisation
“Schwarze Hand“
für den Mord verantwortlich ist. Da Russland daraufhin
mobilisiert, ist der krieg unvermeidbar geworden. Die
strebende bürgerlich – feudale Welt tritt mit der
Kriegserklärung Österreich – Ungarns an Serbien am
28. Juli 1914
in den ersten Weltkrieg und damit in die Phase ihres
Untergangs ein. Es folgt Kriegserklärung auf Kriegserklärung.
Alle Versuche von Einzelpersonen, den Krieg doch noch zu
vermeiden, sind gescheitert. Kaiser
Franz – Joseph
war gegen den Krieg. Er wurde von seinem Generalstabschef
Conrad von Hötzendorf gedrängt. Bezüglich der Kriegsschuldfrage ist allen
Regierungen Europas zumindest fahrlässiges handeln vorzuwerfen.
Für die Donaumonarchie zogen Deutsche, Tschechen,
Slowenen, Kroaten, Italiener, Dalmatiner, Südslaven und Ungarn
unter den Bannern des Kaisers ins Feld. Sie trugen als
einziges Heer in einem Krieg der grauen Massen noch die bunten
Uniformen der alten Zeit. Ihre Ausrüstung ist veraltet, der
Nachschub fragwürdig. Und trotzdem hält Österreich
1915
dem Ansturm der russischen Massen im Osten stand. Als der
Verbündete Italien im Mai 1915
den Krieg erklärt, ist für Österreich auch eine Südfront
entstanden, die sie in zwölf Isonzonschlachten bis zuletzt
behaupten kann.
Das 54 – Millionen – Reich kämpft noch einmal zusammen
mit der anderen Mittelmacht Deutschland, verbündet auch mit
der Türkei und Bulgarien gegen eine Übermacht, das ist die
Triple Entente von Frankreich, England und Russland, seit
April 1917
auch gegen die Vereinigte Staaten von Amerika. Die
österreichisch – ungarische Armee hatte wegen ihrer
Zusammensetzung aus mehreren Völkern
(25 % deutschsprechend,23 % ungarisch
und 40 % slawisch)
darauf Bedacht zu nehmen, dass die slawischen Regimenter an
der italienischer Front eingesetzt waren, wo sie mit äußerstem
Einsatz kämpften, was an der russischen Front nicht gegeben
gewesen wäre. 1916
gelang es den Mittelmächten, die
Russen aus Polen zu verdrängen und weite Teile des Balkans zu
besetzen. In dieser noch immer günstigen Lage wäre es sinnvoll
gewesen, Friedensverhandlungen zu suchen. Aber der deutsche
Kaiser und seine Heeresleitung waren zu Einsicht nicht zu
bewegen. Am 20. November 1916
starb Kaiser Franz – Joseph I. im Alter von 86 Jahren, und sein Neffe und Nachfolger
Karl I.
hatte nicht die Kraft, wenigstens zu diesem Zeitpunkt das
Bündnis mit Deutschland zu beenden.
Er war Kriegsgegner und hatte klar erkannt, dass
Österreich einen noch länger andauernden Krieg nicht
überstehen würde und nahm daher in einem Brief an seinen
Schwager Sixtus von Bourbon –
Parma Kontakt zu den
Alliierten auf, um zu erkunden, dass diese die Zerstörung
Österreich – Ungarns vorerst nicht wollten, da sie die
Großmacht im Donauraum gegenüber dem deutschen Reich zu
erhalten trachteten. Infolge der starren Haltung der deutschen
Regierung und des Drängens tschechischer Emigranten nahmen die
Alliierten dann jedoch die Auflösung Österreich – Ungarns in
ihr Kriegsziel auf.
Die Oktoberrevolution und militärische Niederlage
Russlands 1917
änderte nichts am bevorstehenden Zusammenbruch Deutschlands
und Österreichs an der Westfront. Zu spät suchte das Haus
Habsburg – Lothringen die auseinanderstrebenden Völker seiner
Donaumonarchie durch Zugeständnisse an sich zu binden. Auch
das am 16. Oktober 1918
veröffentlichte Manifest Kaiser Karls zur Neugliederung
Österreich – Ungarns in einen Bund autonomer Staaten änderte
nichts mehr. Schon hatten sich in Prag und Agram eigene
Nationalräte gebildet.
Am 29. Oktober wurde das Königreich der Serben,
Kroaten und Slovenen gegründet. Einen Tag vorher wurde die
tschechoslowakische Republik ausgerufen. Am
30./31. Oktober 1918
wurde von der “provisorischen Nationalversammlung für Deutsch
– Österreich“ die erste österreichische Regierung unter dem
Vorsitz des Sozialdemokraten
Doktor Karl Renner gebildet.
Am 11. November verzichtete
Kaiser Karl auf jeden Anteil
an den Regierungsgeschäften. Am 12. November wurde die
Republik Deutsch – Österreich proklamiert. Im Artikel 2 des
neuen Staatsgrundgesetzes hieß es:
“Deutsch – Österreich ist ein Landteil der deutschen
Republik.“ Im 19. Jahrhundert
wanderten auch viele Österreicher nach Übersee aus: der größte
Teil davon in die vereinigten Staaten, einige aber auch nach
Kanada, Südamerika und Australien. Sehr häufig trifft man in
den USA auf Nachkommen früherer Einwanderer und auf ihre
Spuren in Namen, Inschriften, Museen, Stadtbildern,
Sprachinseln, Bräuchen und Gewohnheiten.
Die Auswanderungsmotive waren meist vielschichtig und
komplex. Es gibt religiöse, politische, wirtschaftliche,
soziale und individuell – psychologische Gründe. In der Zeit
des Vormärz, in der reaktionären Zeit der gescheiterten
Revolution von 1848
oder in der Zeit der Sozialistenverfolgung um
1885
gab es auch politische Flüchtlinge, die keine Aussicht auf
eine wirtschaftlich gesicherte Existenz sahen. Der Großteil
der Auswanderer wurde bis ins 20. Jahrhundert hinein aus
Angehörigen der unteren und mittleren, nicht aber der ärmsten
Bevölkerungsgruppen gestellt. Alte Siedlungskolonien, eigene
Gebiete mit starkem deutschem Bevölkerungsanteil und deutsche
Viertel in Großstädten entstanden, insbesondere in New York,
Chicago, Cincinnati, Milwaukee und Saint Louis.
Österreich – erste Republik 1918
– 1938
Das 20. Jahrhundert brachte für Österreich zunächst
die Niederlage an der Seite Deutschlands und die Auflösung des
Vielvölkerstaates Österreich – Ungarn. Der Reststaat, die
Republik Österreich (der Name “ Deutsch – Österreich“ wurde im
Friedensvertrag von Saint Germain am
10. September 1919
untersagt) erschien den meisten Menschen allein nicht
lebensfähig. Wenn auch die unmittelbaren militärischen
Handlungen nicht in Österreich selber stattfanden, so befand
es sich doch in einer katastrophalen wirtschaftlichen Lage, es
herrschte Hunger und es bestand wenig Aussicht auf schnelle
Besserung, da ein einstmaligen großen Rohstoffreserven in den
neuen Nachfolgestaaten der Monarchie lagen. Österreich hatte
sich aus der Donaumonarchie wieder in das kleine Land im Osten
zurückverwandelt. Von 54.000.000 Einwohnern verblieben ihm
7.000.000. Wien war der weltstädtische Wasserkopf des
Kleinstaates geworden.
Österreich musste sich in St. Germain dazu
verpflichten, sich niemals derer deutschen Republik
anzuschließen. Die Verfassung des neuen Staates war
demokratisch und föderalistisch, der Föderalismus war dabei
begünstigt durch die Kontinuität der Ländereinteilung seit dem
Mittelalter.
Das heutige Burgenland (Deutsch – Westungarn) wurde
Österreich zugesprochen, konnte aber erst
1921/22
mit Hilfe von Heer und Gendarmerie von Österreich übernommen
werden. Außerdem musste der Raum Ödenburg durch eine unter
italienischem Einfluss
zustandegekommende Volksabstimmung wieder an Ungarn abgetreten
werden.
1925
wurde Eisenstadt die Hauptstadt des neuen Bundeslandes
Burgenland. Dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, wie es der
amerikanische Präsident Wilson in seinem 14 – Punkte –
Programm gefordert hatte, wurde im Falle Österreichs
keinesfalls Rechnung getragen: vom ehemaligen Kärnten fielen
das Miesstal und Drauburg ohne Volksabstimmung an Jugoslawien
und das Kanaltal an Italien. Die Landwehren und Heimatwehren
führten den Abwehrkampf gegen die eingebrochenen Kroaten und
Serben. Im Oktober
1920
wurde in Südkärnten eine
Volksabstimmung durchgeführt, die ein klares Ja zum Verbleib
Südkärntens bei Österreich brachte.
Besonders geringes Vertrauen in Dem Neuen Staat hatte
man im Westen Österreichs: in Vorarlberg ergab sich eine hohe
Mehrheit für einen Anschluss an die Schweiz, und in Tirol
spielte man zeitweise sogar mit dem Gedanken der Errichtung
einer eigenen Republik in der Hoffnung, auf diese Weise das an
Italien verlorengegangene Südtirol halten zu können. In Tirol
und Salzburg gab es Volksabstimmungen, in denen sich mehr als
90% für eine Angliederung an Deutschland entschieden. Ein
Habsburgergesetz enteignete das Kaiserhaus Habsburg –
Lothringen und verwies den Kaiser und seine Familie für immer
des Landes. Der Adel mit all seinen Titeln und Privilegien
wurde abgeschafft.
Die Erste Republik Österreich war wirtschaftlich und
politisch außerordentlich gefährdet: die Währung verfiel
rapide (am 1. Juli 1920
notierten 100 Schweizer Franken mit 360.000 Kronen),
es gab eine galoppierende Inflation, Arbeitslosigkeit, Hunger
und revoltierende Unruhen.
Die weitere Entwicklung Österreichs wurde wesentlich
gehemmt durch den bald einsetzenden Streit der beiden
Großparteien, der Christlich – Sozialen und der
Sozialdemokraten, die 1920
aus der bisherigen
Regierungskoalition austraten und bis zu ihrem Verbot in
Opposition blieben. Das Gleichgewicht der beiden Parteien
sowie deren ständige Radikalisierung lähmten das
Wirtschaftsleben und die politische Entwicklung immer mehr.
Die Parteien schufen militärähnliche Formationen: das
bürgerliche Lager schuf sich die Heimwehren, den Heimatschutz
und die Frontkämpfervereinigung, die Sozialdemokraten
Arbeiterwehren und 1924
den republikanischen Schutzbund. Zwischen den Formationen der
beiden Großparteien kam es bei Demonstrationen häufig zu
tödlichen Auseinandersetzungen.
1922
gelingt es der Regierung des
Prälaten Ignaz Seipel,
eine namhafte Völkerbundanleihe zu bekommen, die allerdings an
eine Finanzkontrolle über Österreich und an die abermalige
Versicherung geknüpft ist,
dass Österreich niemals sich Deutschland anschließt.
Erst 1925
wird die Schilling – Währung eingeführt (1 Schilling ist
10.000 Papierkronen.) Die Regierung
Seipel
konnte nun den Staatshaushalt sanieren, dies aber nur mit der
Folge einer Inflationspolitik. Es mussten etwa 120.000 Beamte
entlassen oder frühpensioniert werden, und durch den geringen
Geldumlauf erfolgten auch keine weiteren Antriebe zur
Schaffung von Arbeitsplätzen. Die Arbeitslosigkeitsrate stieg
daher aud etwa 10% der Beschäftigten, die weiterhin
Beschäftigten mussten Lohnkürzungen und Einschränkungen
sozialer Rechte auf sich nehmen. Zahlreiche Streiks und die
Radikalisierung der betroffenen Bevölkerungsschichten,
insbesondere der Arbeiter, war die Folge.
Selbst in dieser leidvollen Notzeit verzeichnete
Österreich bedeutende Kulturschöpfungen: der Maler Oskar
Kokoschka, Rainer Maria Rilke, Arthur Schnitzler, Karl Kraus,
Karl Schönherr, Robert Musil, Hermann Broch und Anton Wildgans
erlangen Weltberühmtheit. Arnold Schönberg, Alban Berg, Anton
Weber, Hugo von Hofmannsthal und die Salzburger Festspiele
unter Max Reinhardt begeisterten die Welt. Die neue soziale
Gesetzgebung war vorbildlich für viele Staaten Europas. Die
Gemeinde Wien schaffte zahlreiche soziale Einrichtungen,
“Gemeindewohnungen“ und andere kommunale Einrichtungen.
Aber die Unruhen eines beengten, wirtschaftlich
verarmten Volkes bleiben. Die antidemokratischen Tendenzen
werden immer stärker. Die Rechte und die Linke im politischen
Spiel demonstrieren mit ihren Selbstschutzverbänden bereits
sehr radikal:
am 15. Juli 1927
steht in Wien der Justizpalast in Flammen. 90 Tote und 600
Verwundete lautet die Bilanz. Die Polizei hatte den
Schießbefehl erhalten, Exekutive und Justiz werden einseitig
von den bürgerlichen Parteien dominiert. Das Linzer Programm
der Sozialdemokraten und der Korneuburger Eid der Heimwehr
verschärften das innenpolitische Klima in Österreich. Die
Radikalisierung des politischen Leben führt zur
Verfassungsreform von 1929,
die dem Bundespräsidenten mehr Rechte einräumt.
Der Zusammenbruch der Bodenkreditanstalt
(1929)
und der Österreichischen Kreditanstalt
(1937)
sowie die Weltwirtschaftskrise von
1932
führen auch in Österreich zu einer hohen Arbeitslosigkeit
(1933: 600.000.) 1932
erhält Österreich eine neue Völkerbundanleihe. Als bei einer
Sitzung des Nationalrates im März
1933
aus einem wahltechnischen Versehen alle drei Präsidenten
zurücktreten, schaltet der damalige Bundeskanzler
Doktor Engelbert Dollfuß
das nach seiner Meinung arbeitsunfähige Parlament aus und
regiert aufgrund eines “kriegswirtschaftlichen
Ermächtigungsgesetzes“ aus dem ersten Weltkrieg autoritär.
Kurz darauf eröffnen die Nationalsozialisten die Offensive
gegen Österreich.
In der österreichischen Provinzhauptstadt Braunau am
Inn geboren, in Linz aufgewachsen, als Malschüler in Wien
gescheitert, aber in den antisemitischen Ideen Georg von
Schönersers geschult, ist inzwischen Adolf Hitler zum
Reichskanzler ernannt worden
(30. Jänner 1933)
und hat diese seine “Bewegung“ zur stärksten Kraft im
deutschen Reich gemacht. Die Idee des
NSDAP
– Annulierung des Versailler
Vertrages, Arbeit und Brot, Selbstbestimmungsrecht auch für
die Deutschen, aber auch antisemitischen Parolen und
Pseudosozialismus – bringen den Hitleranhängern bald auch in
Österreich großen Zulauf. Der “Anschluss“ wird wieder
diskutiert, aber auch eine nationalsozialistische Terrorwelle
gegen Österreich eröffnet. Ende Mai
1933
verhängt die deutsche Regierung die “1.000 – Mark – Sperre“
und schädigt dadurch Österreichs Fremdenverkehrswirtschaft
empfindlich.
Nach wiederholten kleineren Zusammenstößen der
sozialdemokratischen Schutzbündler mit der christlich –
sozialen Heimwehr bzw. der Exekutive kommt es im Februar
1934
zuerst in Linz, dann auch in Wien und anderen Städten zu
blutigen Auseinandersetzungen
(Bürgerkrieg.) Das
festungsartig gebaute Arbeiterviertel Floridsdorf und andere
Arbeiterheime und Gemeindebauten in Wien werden von den
Regierungstruppen mit Kanonen erstürmt. Der von den
Sozialdemokraten ausgerufene Generalstreik wird nicht
durchgeführt. Der Widerstand bricht zusammen.
In der Folge werden – ganz im Sinne
Mussolinis
– die sozialdemokratische Partei und ihre
Arbeiterorganisationen sowie die Gewerkschaften verboten.
Dollfuß
errichtet daraufhin im Mai 1934 seinen autoritären Ständestaat
(Maiverfassung 1934),
der sich zunächst auf die Heimwehr
Rüdiger von Starhembergs
stützt und anstelle der Parteien berufsständische
Organisationen setzt. Seine eigenen Anhänger sammelt er in der
“Vaterländischen Front.“ In der Folge kommt es erneut zu einer
Terrorwelle der Nationalsozialisten.
Am 25. Juli 1935
erfolgt der Putschversuch der Nationalsozialisten, bei dem
Dollfuß
im Bundeskanzleramt ermordet wird. Auch die in einigen
Bundesländern durchgeführte nationalsozialistische Erhebung
scheitert. Doch die Zeit arbeitet bereits für den
Nationalsozialismus. Dr. Kurt
Schuschnigg
übernimmt die Regierung, die er im
Sinne “Dollfuß“
autoritär weiterführt. Als neuer deutscher Gesandter trifft
Franz von Papen
in Wien ein. Noch unterstützt Mussolini
die
Eigenstaatlichkeit Österreichs, und am
27. September 1934
erfolgt die feierliche Deklaration Frankreichs,
Großbritanniens und Italiens über die Aufrechterhaltung der
Unabhängigkeit Österreichs.
Die wirtschaftliche Lage beginnt sich allmählich zu
bessern. 1935
werden die Großglockner –
Hochalpenstrasse und die Wiener Höhenstrasse eröffnet. Die
Weltwirtschaftskrise scheint überwunden zu sein. Infolge des
Abessinienkrieges von 1936,
in dem Hitler – Deutschland als einzige europäische Macht
Mussolinis
Italien unterstützt, verwandelt sich das Verhältnis Italiens
zu Deutschland in Freundschaft. Nun hat
Hitler
freie Hand. Er bestellt
Schuschnigg am
12. Februar 1938
zu sich auf den Obersalzberg in Berchtesgaden und behandelt
ihn sehr herablassend. Alle Zugeständnisse
Schuschniggs
sind umsonst. In den Morgenstunden
des 12. März 1938
marschieren deutsche Truppen in Österreich ein: der
“Anschluss“ ist vollzogen. Die Großmächte nehmen diesen
Gewaltakt fast widerspruchlos zur Kenntnis. Ein Großteil der
österreichischen Bevölkerung empfängt die “deutschen Brüder“
jubelnd mit dem Ruf “Ein Volk,
ein Reich, ein Führer.“
Österreich wird aufgelöst, in Reichsgaue eingeteilt
und der Name Österreich ausgelöscht. Die Erste Republik ist
damit zwar nicht völkerrechtlich, aber faktisch beendet. Viele
Österreicher werden verhaftet und in ein Konzentrationslager
gebracht, hervorragende Persönlichkeiten der Kultur wie
Sigmund Freud, Franz Werfel, Stefan Zweig, Max Reinhard und
andere müssen emigrieren.
Doch das alles versank in einem Trommelfeuer der
Propaganda und künstlich aufgeputschten Begeisterung .Die “
Volksabstimmung“ vom 10. April
1938 brachte das gewünschte
Ergebnis: 99,73% Österreicher stimmen für “Großdeutschland.“
Der Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland war
propagandistisch bestens vorbereitet worden. Bereits
1933
war Österreich ein günstiger Näheboden für den Nationalismus.
Die Heimwehr war nicht nur faschistisch strukturiert (Führerprinzip,
Machtergreifung), der Heimwehrführer war auch mit dem
Nationalsozialisten Hermann
Göring verschwägert, und
Fürst Starhemberg
prägte den Ausdruck “Austrofaschismus.“
Mit dem Überfall
Hitlers auf Polen am
1. September 1939
begann der 2. Weltkrieg. Österreichische Männer dienten in der
deutschen Wehrmacht, viele Österreicher fielen dem
nationalsozialistischen Terrorregime zum Opfer. Nach zwei
Jahren erfolgreicher Kriegsführung rollte die Welle unter
furchtbaren Vernichtungsschlachten zurück. Die alliierten
Luftangriffe verschonten ab
1943 auch die
österreichischen Städte und Industrieorte nicht mehr.
1945
wurde das Land selbst Kriegsschauplatz.
Am 28. März überschritten sowjetische Verbände die
österreichische Grenze bei Güns. Am 5. April stehen sie
bereits an der Stadtgrenze Wiens, um das bis zum 14. April
gekämpft wird. Die Briten stoßen inzwischen von Italien nach
Kärnten vor, amerikanische Truppen dringen in Tirol, Salzburg
und Oberösterreich ein, die Franzosen in Vorarlberg. Als
Deutschland am 8. Mai 1945
bedingungslos kapituliert, stehen sich Russland und Amerikaner
in Linz gegenüber. Mitte Mai ist ganz Österreich besetzt.
Die westlichen Alliierten, die in Oberösterreich und
Salzburg durch die Amerikaner, in Tirol und Vorarlberg durch
die Franzosen, in Kärnten und der Steiermark durch die Briten
Besatzungsmacht sind, gestehen Österreich den Status eines
“befreiten Landes“ zu (Moskauer Deklaration.) Die Sowjets, die
Niederösterreich und das oberösterreichische Mühlviertel
besetzen, betrachten Österreich als erobertes Land.
Die Bundeshauptstadt Wien wird auf alle vier
Besatzungsmächte aufgeteilt, der erste Bezirk abwechselnd
einen Monat von den Alliierten verwaltet. Bereits am
27. April 1945
wird Österreich als zweite Republik etabliert, mit einer
provisorischen Staatsregierung an der Spitze. Wieder einmal in
seiner langen Geschichte hat Österreich fremde Truppen als
Machthaber im Lande. Wirtschaftlich ist das Land ein
Trümmerfeld, aber Österreich hat eine große Tradition im
Überleben. Und es überlebt auch diesmal.
Österreich – zweite Republik
(1945 bis 1990
Die österreichische Widerstandsbewegung gegen die
Fremdherrschaft der Nationalsozialisten war sofort nach dem
Anschluss aktiv geworden. Widerstand gegen die Neuherrschaft
wurde aber, wie überall, grausam gebrochen. 70.000
Österreicher wurden verhaftet, viele davon in das
Konzentrationslager Dachau gebracht.
Allein im Wiener Landesgericht wurden an die 1.200
Todesurteile vollstreckt. Auf diesen Widerstand konnte später
die österreichische Regierung verweisen, wenn die Alliierten
nach dem Beitrag fragten, den Österreich selbst zu seiner
Befreiung geleistet habe. Eine solche Bedingung war von den
USA, der Sowjetunion und Großbritannien schon 1943 gestellt
worden, als diese drei Mächte in der Moskauer Deklaration den
Anschluss für nichtig erklärten und sich für die
Wiederherstellung Österreichs nach dem Kriege verbürgten.
Am
10. April 1945
wehte auf dem Hauptquartier der Widerstandsbewegung 05 in Wien
zum ersten Mal die Rot – Weiß – Rote Fahne. Die provisorische
Regierung unter Dr. Karl Renner
erliess am 27. April eine Proklamation über die
Wiederherstellung Österreichs. Gegenseitige Achtung und
Toleranz, gewonnen unter der Todesdrohung der
Konzentrationslager, schufen ein neues politisches Klima, das
einen Wiederaufbau in demokratischer Zusammenarbeit
ermöglichte.
Doch schwerer als nach dem ersten Weltkrieg lastete
die Not auf dem Land. Der Osten des Bundesgebietes war
Frontbereich gewesen. Viele Betriebe und Verkehrsanlagen
glichen Ruinenfeldern. Ein Fünftel der Bundeshauptstadt lag in
Trümmern. Die meisten Landeshauptstädte waren verwüstet. Die
Bevölkerung war von einer Hungersnot bedroht. Trotz dieser
Notlage wurde die Existenzberechtigung des wieder erstandenen
Staates Österreich nicht mehr diskutiert.
Die Besatzungszone in Österreich
nach 1945
Im November
1945
fanden die ersten freien Wahlen seit eineinhalb Jahrzehnten
statt. Ihr Ergebnis überraschte eher das Ausland als die
Österreicher selbst: die kommunistische Partei erhielt nur 4
von 165 Nationalratsmandaten, die österreichische Volkspartei
erreichte 85 Sitzen die absolute Mehrheit im Nationalrat, die
sozialistische Partei kam auf 76 Mandate. Um dem Druck der
Besatzungsmächte standhalten und Österreich zur vollen
Freiheit führen zu können, wurde das System der Allparteien –
Koalition auch nach den Wahlen 1945
beibehalten.
Bundeskanzler wurde Leopold
Figl, der Obmann der ÖVP, zum
Bundespräsidenten wurde Dr.
Karl Renner, der bisherige
Regierungschef, gewählt.
Mit dem zweiten Kontrollabkommen von
1946
wurde das Erfordernis der einstimmigen Genehmigung von
Gesetzen durch den alliierten Kontrollrat auf
Verfassungsgesetze eingeschränkt. In den ersten zwei Jahren
der Besatzung wurden strenge Kontrollen an den Zonengrenzen
durchgeführt. Die Besatzungskosten stellten für Österreich
eine große Belastung dar.
Österreich war bis
1947
auf die Hilfe der Vereinten
Nationen (UNRRA – Programm)
und danach bis 1953
auf die USA angewiesen. (Österreich
erhält durch den Marshallplan aus den USA Kredite in Höhe von
1,6 Milliarden Dollar.)
Österreich hatte die Hälfte seiner Besatzungskosten,
die immerhin 15% des österreichischen Staatshaushaltes
ausmachten, an die Sowjetunion zu leisten. Als die westlichen
Besatzungsmächte der Bundesregierung einige Unternehmen zur
Verfügung stellten, schritt sie zur Verstaatlichung der
Grundstoff – und Schlüsselindustrien ( Verstaatlichungsgesetze
von 1946 und 1947: verstaatlicht wurden 70 Unternehmen der Industrie, 3 große Banken und
die Energiewirtschaft.) zu dieser Maßnahme führten Erfahrungen
aus der Zeit der Ersten Republik: privaten Eigentümern,
insbesondere ausländischen, sollte in Hinkunft ein Abwürgen
der Versorgung der österreichischen Wirtschaft mit Rohstoffen
und Ausgangsmaterialien, wie dies in den dreißiger Jahren
geschehen ist, unmöglich gemacht werden.
Ein weiterer Schritt zur Gesundung der Wirtschaft war
die 1947
durchgeführte Währungsreform, die
die Nachkriegsinflation beendete und das von den
Besatzungsmächten ungedeckt in Umlauf gebrachte Geld
abschöpfte. Gegen dieses Gesetz, das eine Härte für die
Arbeitnehmer darstellte, wandte sich die kommunistische Partei,
die schon vorher gegen die Annahme der Marshallplan – Hilfe
protestiert hatte. Es gab Demonstrationen und Unruhen unter
der Arbeiterschaft der USIA
– Betriebe. Im Jahr
1950
wuchsen sich solche Kundgebungen bis zu einem kommunistischen
Putschversuch aus, der nur durch sozialistische
Gewerkschaftler verhindert werden konnte. Die sowjetische
Besatzungsmacht hatte das Eingreifen der Polizei verboten.
Auch der Generalstreikaufruf der Kommunisten wurde nicht
befolgt.
Die Wahlen von
1949
hatten beiden Großparteien Mandatsverluste gebracht, der neu
zugelassene “Verband der Unabhängigen“ (VDU) errang auf Anhieb
16 Mandate. Aus der VDU
entstand nach 1955
die Freiheitliche Partei Österreichs
(FPÖ), die als Nachfolgepartei des deutsch – national –
liberalen Lagers der Ersten Republik aufzufassen ist. Die
politische Reife der führenden Parteimänner, die auf
Zusammenarbeit aller bedacht waren, der Fleiß seiner Bewohner,
geduldiger Wiederaufbau, Unternehmensgeist und viel Arbeit
brachten es zustande, dass 1953
Österreich wirtschaftlich
wieder auf eigenen Beinen stand. Die Bundespräsidenten der
zweiten Republik waren bis 1986
stets Kandidaten der Sozialistischen Partei
( Renner, Körner, Schärf, Jonas,
Kirchschläger,
1986
wurde Waldheim
als Kandidat der ÖVP gewählt), während der Bundeskanzler der
Koalitionsregierungen von 1953 bis in die sechziger Jahre von
der ÖVP gestellt wurde ( Figl,
Raab, Gorbach, Klaus.)
Ein außenpolitischer Erfolg war die Abweisung
jugoslawischer Gebietsansprüche im Kärntner Raum. Dagegen
blieb ein Versuch, die deutschsprachigen Teile Südtirols durch
Vermittlung der Alliierten zurückzugewinnen, erfolglos.
Österreich musste sich mit einem Abkommen begnügen, das für
die österreichische Minderheit in Südtirol eine weitgehende
Autonomie vorsah. Die italienische Auslegung des sogenannten
Gruber – de Gaspieri –
Abkommens
erstreckte die Autonomie auf die
gesamte neugeschaffene Region Trentino – Südtirol, in der die
Italiener die Mehrheit besitzen. Das machte die Regelung fast
wirkungslos.
Das wichtigste außenpolitische Problem der Regierung
aber war es, die alliierten Besatzungsmächte zum Abzug zu
bewegen. Da Österreich kein kriegsführendes Land gewesen war,
kam der Abschluss eines Friedensvertrages nicht in Frage.
Daher drängte die Regierung auf die Unterzeichnung eines
Staatsvertrages. Die ersten Bemühungen dieser art gehen auf
das Jahr 1946
zurück, als auf der Pariser Außenministerkonferenz der amerikanische
Außenminister Byrnes einen derartigen Vertrag in Erwägung zog.
Angesichts der Entwicklung des Kalten Krieges aber wollten
weder die westlichen noch die östlichen Besatzungsmächte das
in der Mitte Europas liegende Österreich freigeben.
Erst durch den Tod Stalins
1953
und die darauffolgende “Tauwetterperiode“ trat eine Änderung
der internationalen Lage ein. Seit der Berliner
Außenministerkonferenz (1954)
konnte Österreich selbständige Verhandlungen mit der
Sowjetunion führen. Die Sowjets, die bisher niemals ein einmal
besetztes Land aus ihren System entlassen hatten, luden im
April 1955
eine österreichische Delegation
unter der Führung des Bundeskanzlers
Julius Raab, mit Figl, Schärf und Kreisky,
nach Moskau ein, und waren unter der Bedingung der
österreichischen Neutralität zum Abschluss eines
Staatsvertrages bereit (Moskauer Memorandum.)
Als auch die westlichen Besatzungsmächte zustimmten,
wurde der vertrag am 15. Mai 1955
durch die Außenminister der vier Supermächte und den
österreichischen Außenminister
Figl
im Wiener Belvedere unterzeichnet:
Österreich wurde als souveräner Staat in den Grenzen von 1938
wiederhergestellt. Die Unabhängigkeit und territoriale
Unversehrtheit Österreichs wurde von den Signatarmächten
garantiert. Österreich verpflichtet sich, keine wie immer
geartete politische oder wirtschaftliche Vereinigung mit
Deutschland einzugehen. Österreich hatte aber auch schwere
wirtschaftliche Verpflichtungen gegenüber den Sowjets zu
erfüllen: 150.000.000 Dollar in Form von Warenlieferungen und
6.000.000 Tonnen Rohöl waren zur Ablöse des deutschen
Eigentums an die Sowjets zu leisten.
1964
hatte Österreich diese materiellen Leistungen erfüllt.
Am
26. Oktober 1955
trat das vom österreichischen Nationalrat beschlossene Gesetz
über die immerwährende Neutralität Österreichs in Kraft. Tags
zuvor hatte der letzte Besatzungssoldat Österreich verlassen.
Nach sieben Jahren nationalsozialistischer Fremdherrschaft und
zehn Jahren der Besetzung war Österreich wieder völlig frei.
In diesem Neutralitätsgesetz erklärt Österreich einseitig und
freiwillig, dass es seine Neutralität mit allen ihm zu Gebote
stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen würde.
Damit verpflichtet sich Österreich auch zur
umfassenden Landesverteidigung, also auch zur militärischen.
Es verpflichtet sich ferner, in aller Zukunft keinen
militärischen Bündnissen beizutreten und die Errichtung
militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiet
nicht zuzulassen. Der 26. Oktober ist fortan österreichischer
Feiertag. Mit der Vollmitgliedschaft Österreichs in den
Vereinten Nation im Dezember 1955
ist eine
stillschweigende Anerkennung der österreichischen Neutralität
durch Staaten anzunehmen. Das System der Koalition wurde auch
nach Erringung der vollen Freiheit noch ein Jahrzehnt lang
beibehalten. Die kompakte Mehrheit der beiden
Regierungsparteien sicherte den wirtschaftlichen Aufstieg und
die wachsende außenpolitische Geltung des Landes.
Das Fehlen einer echten Opposition führte jedoch zu
Erstarrungserscheinungen, wie etwa zum Proporzdenken, das eine
gleichmäßige Verteilung wichtiger Ämter und Arbeitsverbände
bald, gleichsam über den Kopf der Regierung hinweg, zueinander
und bestimmten das Wirtschaftsklima durch gegenseitige
Absprachen. Diese Sozialpartnerschaft regulierte das Lohn –
und Preissystem und trug wesentlich zur Erhaltung des sozialen
Friedens bei (Österreich ist bis heute eines der streikärmsten
Länder der Welt.) Das Wirken der Sozialpartner (Kammern und
Gewerkschaften) wird aber auch, da sie vom Wähler nicht
kontrolliert werden können, gelegentlich als unzulässige
Nebenregierung kritisiert.
Die zweite Republik Österreich zog die Lehren aus den
Fehlern der Ersten Republik, der Vollbeschäftigung wurde
Vorrang gegeben und dabei ein Wertschwund der Währung in
überschaubarem Maß als Preis riskiert. Arbeitslosigkeit wurde
dadurch jahrelang im neuen Österreich zu einer unbekannten
Erscheinung. Es mussten sogar Gastarbeiter herangezogen werden,
um die Kapazität der Wirtschaft aufrecht zu erhalten.
1960
schloss sich Österreich der europäischen Freihandelszone
(EFTA)
an, nach langwierigen Verhandlungen erreichte es
1972
ein Freihandelsabkommen mit der
EWG.
Durch seine Neutralität stieg das internationale
Ansehen des kleinen Staates gewaltig. Einige Jahre nach dem
Beitritt Österreichs zur UNO
wurde Wien zum Sitz zweier Behörden: der Atomenergiekommission
und der Organisation für industrielle Entwicklung
(UNIDO.)
1972 bis 1981
war der österreichische Außenminister
Dr. Kurt Waldheim
Generalsekretär der Vereinten Nationen. International bewährt
hat sich Österreich erstmals
1956, als es nach dem
Oktoberaufstand in Ungarn über 200.000 Flüchtlinge aufnahm.
Nach dem Wegfall des äußeren Druckes wuchsen die
Spannungen innerhalb der Regierungskoalition immer mehr. So
bildete 1966
die ÖVP nach Erringung der absoluten Mehrheit eine
Alleinregierung unter
(Josef
Klaus.) Während dieser
Regierungsperiode gelangte Österreich zu einer
zufriedenstellenden Regelung der Südtiroler Autonomie.
1970
fiel der Regierungsauftrag an die SPÖ.
Bruno Kreisky
bildete zuerst ein Minderheitskabinett und nach Gewinn der
absoluten Mandatsmehrheit nach Neuwahlen
(1971)
eine sozialistische Alleinregierung, die zwölf Jahre lang
bestand. Nach drei Jahren kleiner Koalition der SPÖ mit der
FPÖ kehrte Österreich 1986
wieder zur Form der großen Koalition zurück. (Die SPÖ unter
Franz Vranitzky
konnte bei den Nationalratswahlen im Oktober
1990
erneut die Mandatsmehrheit erringen. Die freiheitliche Partei
erreichte beachtliche 33 Mandate. Die Grünalternative kam auf
9 Mandate.
In der Zeit der sozialistischen Alleinregierung wurden
große Reformen durchgeführt, insbesondere die
Strafrechtsreform, die Familienrechtsreform und die Reform des
Arbeitsrechtes. Auch die Möglichkeit der direkten Demokratie,
des Volksbegehrens und der Volksabstimmung wurden immer
häufiger angewendet. Die Inbetriebnahme des Atomkraftwekes
Zwentendorf wurde nach einer Volksabstimmung mit knapper
Mehrheit abgelehnt.
Nachdem ersten Weltkrieg liegt die Zahl deutscher und
österreichischer Überseeauswanderer, die Ende des
19.Jahrhunderts sehr geschrumpft war, wieder stark an. In den
dreißiger Jahren verließen etwa 250.000 verfolgte Juden und
viele andere politisch diskriminierte Menschen das Dritte
Reich (die Zurückgebliebenen kamen größtenteils in den
Vernichtungslagern des Regimes ums Leben.) Während des zweiten
Weltkrieges wurden etwa 770.000 Volksdeutsche aus Ost –
Mitteleuropa und der Sowjetunion in das engere deutsche
Herrschaftsgebiet umgesiedelt. Gegen Ende des zweiten
Weltkrieges und in den Jahren danach kam es zu einer großen
Flucht – und Vertreibungswelle Deutscher von Ost nach West.
Über 6.000.000 Volksdeutsche verließen ihre Heimat in
ost-mitteleuropäischen Staaten, über 8.000.000 verließen die
deutschen Ostgebiete (Ostpreussen, Ostpommern, Brandenburg und
Schlesien.) Dabei dürften über 2.000.000 Menschen ums Leben
gekommen sein. Eine große Zahl Volksdeutscher hat sich auch in
Österreich angesiedelt (viele Ortsnamen und Familiennamen
beweisen dies.) bereits nach dem ersten Weltkrieg ist eine
große Anzahl von Menschen aus der neugebildeten
Tschechoslowakei nach Österreich, insbesondere nach Wien,
ausgewandert. (Ein Großteil der heutigen Familiennamen in Wien
ist böhmischer Herkunft.
Das heutige Österreich erlebt nach den gewaltigen
politischen Veränderungen des Jahres
1989 und 1990
einen ungeheuren Zustrom von Menschen aus Osteuropa: etwa
100.000 Menschen sind 1990,
insbesondere aus Polen und Rumänien, nach Österreich gekommen,
um hier um politisches Asyl anzusuchen. Die großen Probleme
des heutigen Österreichs sind der Schutz der gefährdeten
Umwelt (die rapide Zunahme des LKW – Transitverkehrs durch
Österreich hat kürzlich zu einem regelrechten Transitstreit
zwischen Österreich und Italien geführt, die Verhandlungen um
einen EG – Beitritt Österreichs (wobei die österreichische
Neutralität zu berücksichtigen ist), aber auch die Erhaltung
der guten wirtschaftliche Position Österreichs.
DAS WAR BIS 1990!
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