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DIE LANDESGESCHICHTE UND IHRE BEVÖLKERUNG

 

Die Geschichte der großen Völkerwanderungen der Menschheit. Besiedlung der Gebiete und die Schicksale dieser Menschen. Auswanderungen und Ansiedlung der Emigranten in den fremdsprachigen Siedlungsräumen. Wie diese Menschen Kontakt zur alten Heimat aufrecht erhielten und farbige Illustrationen der frühgeschichtlichen und heutigen Landesstaaten mit statistischen Verzeichnungen des Bevölkerungsstandes dieser Zeiten.

  Österreich hatte im Verlauf seiner Geschichte eine mehr oder weniger große Bedeutung wegen seiner Grenzlage nach Osteuropa hin (Ostmark im Mittelalter, aber auch im 20.Jahrhundert zwischen 1938 und 1945), unter der Herrschaft der Habsburger aber wurde Österreich zu einem großen, geschlossenen  Machtkomplex Mitteleuropas, der jedoch infolge seiner nationalen Inhomogenität  nie politisch stabil war und mit dem ersten Weltkrieg zusammenbrach.

  Die Beseitigung des „Eisernen Vorhangs“ ab Herbst 1989 und die Bemühungen der osteuropäischen Staaten, sich wirtschaftlich, kulturell und politisch dem westeuropäischen System anzunähern, aber auch die regen politischen und kulturellen Kontakte zwischen Wien, Budapest, Prag, Laibach und andere Städten haben in Österreich die Hoffnung auf eine zukünftige Neubelegung des ehemaligen Zentrums Wien erweckt, das nun von seiner Randlage zum kommunistischen Osteuropa hin befreit werden könnte.

   Der Name „Österreich“ wird erstmals in einer Schenkungsurkunde Kaiser Otto II. aus dem Jahr 996 erwähnt. “Ostarichi“  bedeutet dabei soviel wie „Landgebiet im Osten.“

  976 ist ein wichtiger Meilenstein in der österreichischen Geschichte: Otto II., Kaiser des  Heiligen Römischen Reiches, hatte den Babenberger Leopold als Markgrafen eingesetzt und ihm die südöstlichen Länder zwischen March und Traisen zur Belohnung für dessen Hilfe bei der Niederschlagung eines bayrischen Aufstandes geschenkt. Die Babenberger-Dynastie regierte in Österreich bis 1246. Von der Wachau (Pöchlarn) verlegten sie ihren Herrschaftssitz immer weiter nach Osten (über Melk, Tulln, Klosterneuburg) nach Wien.

  Unter Heinrich II. “Jasomirgott“ wurde Österreich 1156 von Kaiser Friedrich I. Barbarossa zum Herzogtum erhoben und bekam dazu Vorrechte, die es über manches andere deutsche Herzogtum hinaushoben  („Privilegium minus“): Einschränkung der Hof- und Heerfahrtspflicht, volle Gerichtsbarkeit, weibliche Erbfolge.

   Mit der Wahl des Habsburger Grafen Rudolf zum deutschen König (1273) und dessen Sieg über den österreichischen Landesherrn der “Interregnumszeit“ nach 1246,den böhmischen König Ottokar Premysl (1278) in der Schlacht auf dem Marchfeld waren die Voraussetzungen für den Aufstieg der Habsburger und Österreichs geschaffen.

 

Die Erweiterung der Mark durch die Babenberger:

 

   Die Habsburger haben durch geschickte Vertrags- und Heiratspolitik zu den österreichischen Erbländern ständig Gebiete dazugewonnen, so dass am Beginn der Neuzeit (1519) Kaiser Karl V. aus der spanischen Linie ein Reich regierte,“ in dem die Sonne nicht untergeht.“

 

Vorgeschichte:Österreich als Mittelpunkt illyrisch-keltischer Kultur,als römische Provinz und bayrischer Siedlungsraum

  

   Früheste wirtschaftliche Bedeutung hatte Österreich in der älteren Eisenzeit (750-400 v.Chr.) wegen des Salzreichtums im Gebiet von Hallstatt (im heutigen “Salzkammergut“) und Hallein bei Salzburg. Diese illyrische “Hallstatt-Kultur“ wurde um 400 v.Chr. von den Kelten abgelöst, die im Bereich südlich der Donau, Salzburg, Weststeiermark und Kärnten das Königreich Norikum errichteten.

   16 v.Chr. wurde das Land römische Provinz und zwar als Grenzgebiet zu den von Norden andrängenden germanischen Markomannen und Quaden. Kaiser Augustus hatte bereits vorher mit der Sicherung der Grenze und des Transportweges der Donau durch den Bau eines “Limes“ und vieler befestigter Stützpunkte begonnen.

   Castra Boiorum (Passau), Vindobona (Wien) und Carnuntum (nahe dem heutigen Hainburg),das wohl die Hauptstadt (municipium) am östlichen Ende des Limes war. Carnuntum scheint eine reiche Stadt gewesen zu sein, mit luxuriösen Bädern und zwei Amphitheatern, von denen das eine 13.000 Sitzplätze hatte. Im stark befestigtem Lager Vindobona wurde die Donau mit dem größten ihrer Nebenarme (dem heutigen “Kanal“) durch Brücken verbunden. Meilensteine zeugen vom Bestand eines römischen Straßennetzes in Norikum, Grabsteine und Ausgrabungen von Mosaiken und Fresken von einer ausgeprägten römischen Kultur.

   Gegen Ende des 4. Jahrhunderts verloren die Römer infolge des Drucks der germanischen Völker  von Norden und Osten auf die Provinzen Norikum, Pannonien und Dacien eine Position nach der anderen. Das Donaugebiet wurde in der Folgezeit (große Völkerwanderung bis zum 6. Jahrhundert) von Vandalen, Goten, Hunnen, Teutonen, Slaven und Franken überrannt, doch wurde eine gewisse kulturelle Tradition durch die neue Religion des Christentums und die Person des Heiligen Severin gewahrt.

    Im 7. und 8. Jahrhundert wurde das heutige Österreich von Slaven, Awaren von Osten her, und von den Bajuwaren von Westen her besiedelt. Viele Ortsnamen bezeugen das heute noch: die Endung –itz, -itzen deutet auf slawische, jede mit –ing, -heim auf  bayrische Besiedelung hin.

    Um 700 n.Chr. gründete der Heilige Rupert in Salzburg das Benediktinerkloster St.Peter, das älteste dieser Art in Mitteleuropa. Der irische Wandermönch Virgil wurde im 8. Jahrhundert zum ersten Salzburger Bischof. Von Salzburg und Passau ging dann auch die planmäßige Missionierung und Kolonisation im Donauraum und in den Südosten des fränkischen Reiches bis in das heutige Slowenien und Kroatien aus.

     Der König des Frankenreiches, Karl der Große, errichtete gegen Ende des 8. Jahrhunderts ein befestigtes Grenzgebiet gegen Awaren, die “Awarenmark“, die durch die Flüsse Enns, Raab und Drau begrenzt war. Diese “Karolingische Ostmark“ bestand bis etwa 880, als die Franken den Magyaren bei “Wenia“ unterlagen, ebenso wie 907 bei Pressburg. König Otto I. besiegte die Magyaren  dann 955 in der Schlacht auf dem Lechfeld und organisierte die “Ostmark“ neu, allerdings weitaus kleiner als die karolingische, nämlich zwischen Enns und Traisen. Otto wurde 962 in Rom vom Papst zum Kaiser gekrönt.

    Es war damit der erste Kaiser des “Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“ wenn auch bereits Karl der Große um 800 die Kaiserkrone innehatte und das Bündnis zwischen dem fränkischen Königtum und Papst auf Karls Vorgänger Pippin zurückgeht. Die römisch-deutsche Kaiserkrone sollte den Übergang der sakralen Würde von den römischen Kaisern auf die deutschen symbolisieren (Translatio imperii.) Nach 1440 wurde die Krone des Heiligen Römischen Reiches bis 1806 von den Habsburgern getragen mit nur einer kurzen Unterbrechung (1742-1745.) Seit 1804 waren die Habsburger dann “Kaiser von Österreich“ (Franz I. von Österreich.)

     Bezüglich der Herkunft der österreichischen Urbevölkerung liegt vieles im Dunklen. Wir wissen wohl, dass die ältesten Siedler in diesem Raum, Illyrer und Kelten, indoeuropäische Völker waren, und dass die Kelten auch die ersten Städte in Österreich errichteten (Bregenz, Salzburg, Lorch, Virunum.) Wenn sie auch bereits eine organisierte Stammesgemeinschaft, mit einem König an der Spitze, darstellten und bäuerlich sesshaft lebten, so bedeutet dies nicht, dass sie völlig immobil gewesen seien und ihren Unterhalt immer nur am selben Ort erwirtschaftet hätten.

      Wanderungsbewegungen und neue Landnahmen waren vielmehr auch für dieses und die folgenden Zeitalter charakteristisch, wenn auch zielgerichtet und nicht mehr in nomadisierender Form. Erst die aus Wanderungen, Eroberungen und Landnahme resultierenden Reichsbildungen des ersten nachchristlichen Jahrhunderts stabilisierten  das Nebeneinander und Miteinander von Stämmen und Völkern. Zwischen Stammesbildungen, Wanderbewegungen und Reichsbildungen bestanden Zusammenhänge. Stämme trachteten nach Verbesserung ihrer Lebensbedingungen, oder sie wollten ihre Wohngebiete verteidigen, erweitern oder verlegen. Konflikte führten zu Grenzverschiebungen, zu Unterwerfung oder Errichtung von Herrschaft, zu Wanderung und Neusiedlung. Andere Ursachen für  Wanderungen waren Missernten, Klimaveränderungen, Überbevölkerung und die Anziehungskraft zivilisatorisch weiter entwickelter Gesellschaften.

     Der ursprüngliche Zusammenhang der indogermanischen Völkerschaften in Südwestasien und Europa kann nur aus sprachlichen Gemeinsamkeiten erschlossen werden. Das Gebiet ihrer Herkunft ist ungeklärt es wurde bisweilen in Vorderasien, bisweilen im Tiefland nördlich des Schwarzen Meeres angenommen. Zur westlichen Sprachgruppe des Indogermanischen zählt man Keltisch, Lateinisch, Italienisch, Wendisch, Illyrisch  und Germanisch.

     Die Germanen verdrängten, von Skandinavien kommend, im ersten vorchristlichen Jahrtausend die Kelten und andere Völker aus Mitteleuropa nach Westen. Die Westgermanen breiteten sich im heutigen Mittel – und Süddeutschland und im Gebiet der heutigen Niederlande aus. Seit dem 3. vorchristlichen Jahrhundert kam es zu Berührungen der römischen und germanischen Kultur in West – und Mitteleuropa.

      Der romanisiernde Raum des nochmaligen Österreichs wurde in der Zeit der Völkerwanderung von einer germanischen Erobererschicht überdeckt. Von Westen her drang das Volk der Bayern in Oberösterreich, Kärnten, Tirol und Steiermark vor und begann eine neue Ordnung aufzubauen.     

      Ursprung, Herkunft, Stammesbildung und Landnahme der Bayern sind nicht geklärt. Vermutlich stammen sie aus Nordeuropa und waren Nachbarn der Angeln und Sachsen, welche Beziehung sich in manchen Dialektausdrücken niedergeschlagen hat. Auch die Umgangssprache der Österreicher geht auf eine bayrische Mundart zurück. Die “Fränkische Völkertafel“ von 520 erwähnt sie erstmals als “Bajuwaren.“ Die Bayern werden als ein sehr sesshafter, behäbiger, zum beschaulichen Leben neigender bäuerlicher Volksstamm beschrieben, der auch die große gotische Wanderung zum Schwarzen Meer nicht mitmacht, sondern in seinem böhmischen Kessel bleibt und dann den Bayerwald überquert und das heutige Bayern, die Donauebene und das Alpenvorland, auch das Alpengebiet bis zur Etsch besiedelt. Ab 700 werden die Bayern christianisiert. Im 8. Jahrhundert wird der Bayernherzog aus dem Haus der Agilolfinger, Tassilo III., vom Frankenkönig Karl abgesetzt, geschoren und ins Kloster verbannt. Bayern wird Herzogtum des Frankenreiches.

 

Österreich im Mittelalter

 

     Die Ära der Babenberger war für Österreich eine Zeit großer wirtschaftlicher und kultureller Prosperität. Als Markgrafen hatten sie das Recht, Krieger selbstständig einzuberufen, aber auch Befestigungen anzulegen. Dazu kamen richterliche Befugnisse sowie wirtschaftliche Vorrechte, die mit der Verleihung des Herzogtitels im Jahr 1156 noch erweitert wurden. So konnte Österreich die natürlichen Rohstoffsenatomene, insbesondere Gold, Silber und Salz, ausschöpfen und mit seinem wirtschaftlichen Reichtum prachtvolle Klöster wie Melk, Göttweig, Heiligenkreuz, Klosterneuburg, Admont in der Steiermark und Millstatt in Kärnten, sowie eine Reihe von Burgen zum Schutz gegen Angreifer von Osten erbauen.

      Markgraf Leopold III. begann dann auch damit, die österreichische Herrschaft durch gezielte Heiratspolitik zu festigen. Seine Kinder schlossen Ehebündnisse mit Ungarn, Böhmen, Italien, Polen und dem oströmischen Kaiserreich. Schon 1135 verlegen die Babenberger endgültig ihre Residenz nach Wien auf dem Platz am Hof, der wieder – und Neuaufbau Wiens wird von Leopold III., “dem Heiligen“, vorangetrieben, und sein Sohn Leopold IV. wird vom König sogar mit dem Herzogtum Bayern belehnt, wenn er auch niemals Besitz von dem großen Nachbarland ergreifen konnte. Um 1130 taucht auch in Urkunden erstmals der Name “Austria“ auf. Mit der Erwerbung des Herzogtitels und dem später sogenannten Privilegium minus von 1156 wird der Aufstieg Österreichs weiter vorangetrieben.

         Wien wird zwar zu einem neuen Mittelpunkt der Kultur, doch kann sich Österreich als eine Pforte zum Osten und als Teil des Heiligen Römischen Reiches der Weltgeschichte nicht entziehen. Der ständige Konflikt zwischen dem Papst und dem Kaiser (Investiturstreit), die Bedrohung von seiten der Böhmen und Magyaren sowie Kreuzzüge erforderten das politische Engagement der Babenberger.

        Im Jahre 1190, während der Teilnahme an Kreuzzug, geriet Herzog Leopold V. in einen Streit mit dem englischen König Richard Löwenherz. Dieser wurde bei seiner unfreiwilligen Rückkehr auf dem Landweg in der Nähe Wiens erkannt und von Leopold V. gefangengenommen. Für die Freigabe Richards erhielten die Babenberger aus England 100.000 Silbermark, und dieses Geld verwendeten sie, um Wien auszubauen und die Wiener Neustadt zu gründen.

        Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung verband sich in Österreich ein weitgehender Übergang  zur Geldwirtschaft, doch da die Kirche das Zinsnehmen als Sünde gegen die christliche Bruderliebe verbot, geriet das Darlehensgeschäft vorwiegend in die Hände von Juden. Damit wurden sie auch in Österreich zu den Geldgebern der Wirtschaft.

        Herzog Leopold VI. “ der Glorreiche“ kehrt zur Friedenspolitik zurück und bewährt neu den Ruf der Babenberger als Förderer der Künste und der Kultur. Er ist bereits einer der mächtigsten Fürsten des damaligen Europas. Friedlich übernimmt er die Lehen der Bischöfe von Freising in der Krain.

        Er kauft von dem Grafen von Haunsberg die Stadt Linz und baut nun seine Residenz in Wien aus. Hier entsteht ein Sammelpunkt höfischer Kultur und des Minnesangs (Reinmar von Hagenau, Walter von der Vogelweide, Ulrich von Lichtenstein), aber auch das große Nationalepos der Deutschen, das Nibelungenlied, wird hier vorgetragen. Das Ende der Babenberger beschleunigt Herzog Friedrich II., der Krieg gegen den böhmischen und ungarischen König führt und gegen Kaiser rebelliert. Dieser verhängte die Reichsacht über den Herzog, und Wien wurde 1237 vorübergehend eine reichsunmittelbare Stadt.

        Den Babenberger war es gelungen, einen wesentlichen Fortschritt vom Personenverbandsstaat in Richtung Flächenstaat zu erzielen. Nach dem Aussterben der Babenberger 1246 folgte auch in Österreich die anarchische Zeit des Interregnums. Und als der böhmische König Ottokar II. sich weigerte, die ihm durch Heirat zugefallenen Gebiete Österreich und Steiermark vom neuen deutschen König Rudolf von Habsburg als Lehen anzunehmen, verhängte dieser über ihn die Reichsacht und besiegte ihn in der Schlacht am Marchfeld 1278.

        Mit Zustimmung der Reichsfürsten belehnte Rudolf seine beiden Söhne mit Österreich, Steiermark und Krain. Damit begann die Herrschaft der Habsburger, die bis 1918 dauern sollte.

        Die Habsburger strebten die Verwirklichung von drei politischen Zielen an:

a)      die dauernde Erwerbung der deutschen Königswürde,

b)      die Vereinigung der Länder Böhmen und Ungarn mit dem österreichischen,

c)      die Erwerbung der Länder zwischen Österreich und ihren Besitzungen in der Schweiz und in Schwaben.

        Dabei stießen sie auf den Wiederstand der Luxenburger und Wittelsbacher, die ebenso eine gezielte Hausmachtspolitik verfolgen wie sie. Die ersten Erfolge hatten die Habsburger in ihrem Bemühen, eine Landbrücke zwischen ihren östlichen und westlichen Besitzungen herzustellen. 1335 erwarben sie Kärnten und 1363 Tirol. In beiden Fällen war der letzte Fürst ohne leiblichen Erben gestorben. Durch Geheimverträge und geschickter Diplomatie konnten die Habsburger die anderen Mitbewerber ausschalten. In der Schweiz hingegen verloren sie alle ihre Besitzungen in mehreren Kriegen gegen die Eidgenossen.

        Die Gesellschaftsordnung des Mittelalters war durch das 3-Stände – System geprägt (Klerus, Adel und dritter Stand, das sind die Bürger, Bauern und andere.) zahlenmäßig bildete der dritte Stand den weitaus größten Teil der Bevölkerung. Mit seiner Vermehrung und funktionalen Differenzierung, seiner Mobilität und Geschäftigkeit ergab sich die Notwendigkeit einer genaueren Indentifizierung von Einzelpersonen und Familien. Die herkömmliche Personenbezeichnung durch einen Namen reichte angesichts des begrenzten Taufnamenbestandes nicht mehr aus, um Verwechslungen zu vermeiden. So wurden den Personennamen im späten Mittelalter Familiennamen hinzugefügt, die bald erblich wurden. Dabei erhielten Kinder die Taufnamen ihrer Väter oder Mütter als Familiennamen. In diesen auf Taufnamen zurückgehenden Familiennamen spiegelt sich bis heute der teils noch germanische, teils bereits der christliche Namensbestand des Mittelalters wider. Andere Zunamen lassen sich ihrer Entstehung nach in drei Hauptgruppen unterteilen: sogenante “Übernamen, Berufsnamen und Herkunftsnamen.“

        Seit dem 12. Jahrhundert hatten sich die Beziehungen zwischen dem König und seinen Vasallen, den Lehensträgern, gewandelt. War ursprünglich das Lehen dazu bestimmt, den persönlichen Unterhalt des Vasallen zu sichern und ihm genügend Vermögen zu schaffen, um seinem Herrn die verlangten dienste leisten zu können, so trat nun eine Änderung ein: Man wurde immer mehr Vasall, um bloß die wirtschaftlichen Gewinne des Lehens zu bekommen.

        Die persönliche Beziehung und der Dienst als Lehensmann traten zurück. Durch Anhäufung von Grundbesitz und königlichen Rechten (Münzprägung, Steuer – und Finanzhoheit, Blutgerichtsbarkeit, Recht zum Bau von Burgen und andere mehr), die sie dem König in langen Auseinandersetzungen abgetrotzt hatten, beherrschten die hohen Adeligen nun ihr Land. Ergänzt wurde ihre Macht noch durch persönlichen Besitz an Grund und Boden (Domäne), den sie durch Königsschenkung oder Vererbung erworben hatten. Regionale Machtträger, z.B. Grafen oder Markgrafen, wurden so zu Landesfürsten.

        Um im deutschen Reich überhaupt noch regieren zu können, mussten sich die Königsdynastien des Spätmittelalters (Habsburger, Wittelsbacher, Luxemburger) eine eigene Hausmacht aufbauen. Die Reichsfürsten wurden durch die Tatsache begünstigt, dass ihre Lehen erblich waren, dass sie aber die in ihren Ländern anfallenden Lehen zu ihren Gunsten einziehen konnten. Auf diese Weise entstand aus dem mittelalterlichen Personenverbandsstaat der spätmittelalterliche und neuzeitliche Flächenstaat. Die Landesherren ihrerseits erfuhren bei der Ausübung ihrer Herrschaft eine Beschränkung durch die Landesstände. Diese setzten sich aus Vertretern des Adels, der Geistlichkeit und der Städte zusammen. Die Landesstände spielten in den österreichischen Ländern eine ganz besondere Rolle. In Tirol und Vorarlberg waren auch die Bauern darin vertreten. Die Landstände wirkten bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Landes mit und besaßen vor allem das Steuer – und Truppenbewilligungsrecht.Ihre Versammlungen hießen Landtage:

 

Die Vergrößerung der habsburgischen Hausmacht

 

        Maximilian der I. heiratet 1477 die Erbtochter Karls des Kühnen, Maria von Burgund. Er gewinnt damit ein wirtschaftlich reiches Land, zu dem auch Holland und Flandern gehören. Mit ihrer gezielten Heiratspolitik steigen die Habsburger zur mächtigsten Dynastie der damaligen Zeit auf.

        Maximilians einziger Sohn Philipp heiratete die spanische Prinzessin Johanna. Durch den Tod des spanischen Kronprinzen konnte Philipp die Regierung in diesem Land mit den spanischen Kolonien in Amerika übernehmen. Der eine Sohn Philipps, Karl V., begründete dann die spanische Linie des Hauses Habsburg.

        Der andere Sohn, Ferdinand I., wird 1515 von seinem Großvater, Kaiser Maximilian, Anna von Böhmen und Ungarn versprochen und gleichzeitig wird seine Enkelin Maria mit Ludwig II. von Ungarn verlobt. Damit sollte eine wechselseitige Erbfolge gesichert werden. Mit Ferdinand I. wurde die österreichische Linie des Hauses Habsburg begründet, die Kaiserwürde verblieb fortan beim Hause Österreich. Als Ludwig von Ungarn 1526 in der Schlacht von Mohadc gegen die Türken fiel, konnte Ferdinand aufgrund der geschloßenen Heirats – und Erbverträge die Herrschaft in Böhmen und Ungarn antreten. Der habsburgische Donaustaat war damit entstanden. Maximilian selber heiratet in zweiter Ehe Bianca Sforca von Mailand und sichert sich dadurch Erbansprüche auf die Hälfte Oberitaliens. Durch den Erbfolgestreit mit Bayern gewinnt Maximilian zudem Kufstein, Kitzbühel und Rattenberg. Im Kampf mit Venedig fallen ebenfalls die durch Erbverträge mit Österreich verbundenen Lande Görtz, Gradiska, das Pustertal und Istrien an das Haus Habsburg.

        Wenn Maximilian als deutscher Kaiser wenig Erfolg bei seinen Reformen zu verzeichnen hatte, so setzte er doch wirksame Massnahmen in den österreichischen Ländern. Er schloss die östlichen und westlichen Länder zu je einer Verwaltungseinheit zusammen, deren Mittelpunkte Wien bzw. Innsbruck waren. Der Enkel und Nachfolger Maximilians als deutscher König, Karl V., war mit Österreich, Spanien und seinen amerikanischen Besitzungen sowie den Niederlanden der mächtigste Herrscher Europas. Für die Wahl Karls zum deutschen König 1519 gaben seine Geldgeschenke den Ausschlag. Seine Geldgeber waren dabei Fugger. Um die Verwirklichung der kaiserlichen Alleinherrschaft zu erreichen, musste sich Karl nach drei Richtungen hin durchsetzten: Gegen den französischen König, gegen die protestantischen Reichsstände und gegen den Papst. Karl übergab 1521 seinen Bruder Ferdinand die österreichischen Länder und die Nachfolgerechte auf Böhmen und Ungarn. Damit wurde die österreichische Linie des Hauses Habsburg begründet, die Kaiserwürde sollte fortan beim Hause Österreich verbleiben.

        Nach fünf kriegen gegen Frankreich, die vor allem in Oberitalien ausgefochten wurden, konnte Karl V. mit dem französischem König Franz I. zwar zu einem Kompromiss gelangen (Karl verzichtete auf Burgund, Franz auf Mailand), doch waren 1529 die Türken mit einem Heer von 120.000 Mann nahezu unbemerkt bis Wien vorgedrungen. Ein Bewusstsein, gemeinsam gegen die Türken vorzugehen, war im Reich nicht vorhanden. Doch dank eines Schlechtwettereinbruchs konnte die kleine Besatzung Wiens sich gegen die Türken behaupten. Zudem waren die diplomatischen Kontakte zwischen Istanbul und Paris in dieser Zeit gegen die Habsburger gerichtet. Und von den protestantischen Reichsständen war keine Unterstützung gegen die Türken, sondern zusätzlicher Widerstand zu erwarten (Schmakaldischer Krieg.) Die Reichstände verbündeten sich schon in dieser Zeit mit dem französischen König gegen den Kaiser.

        Mit dem Augsburger Religionsfrieden 1555 waren viele Bauern, Bürger oder Adelige, die in ihrem religiösen Bekenntnis nicht mit dem Landesherrn übereinstimmten, gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Von dieser Zeit an sind viele Menschen aus dem vorwiegend katholischen Österreich in oft weit entlegene Landschaften ausgewandert, im 17. Jahrhundert auch nach Übersee. Kaiser Maximilian II. war ein Sympathisant der Protestanten. In seiner Regierungszeit bekannte sich der überwiegende teil der Österreicher zum Protestantismus. Der kunstsinnige Rudolf II. verlegte seine Residenz nach Prag und überließ die politischen Entscheidungen seinem Bruder Matthias. Rudolf selber verblieb schließlich nur noch Böhmen und die Kaiserwürde. Er sicherte den böhmischen Ständen im “ Majestätsbrief“ Religionsfreiheit. In Deutschland schien der Zerfall der zentralen Herrschaftsgewalt des

Kaisers unaufhaltsam. Es kam sogar zur Auflösung des Reichskammergerichtes und des Reichstages.

        Nun entstanden militärische Bündnisse: Die Protestanten schlossen sich unter der Führung des Kurfürsten von der Pfalz zur Union zusammen, der unter anderem Nord – und Ostdeutschland sowie Böhmen angehörten, die im Dreissigjährigen Krieg aber auch Unterstützung von Skandinavien erhielt. Die katholischen Fürsten gründeten die Liga, der neben Bayern und Österreich auch Frankreich, Spanien, Italien und das Rheinland angehörten. Der weltweite Kampf der Gesinnungsblöcke, dem sich alsbald auch wirtschaftliche, nationale und machtpolitische Strömungen beimengten, bestimmt die ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts. Erst 1619 vereinen sich durch Aussterben der beiden anderen Linien alle österreichischen Erblande wieder unter Ferdinand II. Mit ihm ergriff ein Mann der fanatischen (katholischen) Gegenreformation die Zügel. Die Kirche hatte sich schon gegen Ende des 16. Jahrhunderts in Österreich durch die eifrige Tätigkeit der Jesuiten erneuert.

        Nach dem Prager Fenstersturz 1618 erklärten die böhmischen Adeligen den Habsburger Ferdinand II. für abgesetzt und ernannten Friedrich von der Pfalz zu ihrem König.Nach dem Sieg der Liga über die Union am Weissen Berg (1620) hielt Ferdinand II. ein strenges Strafgericht. Die Güter aller Aufständischen wurden beschlagnahmt, sie selber mussten das Land verlassen. Eine neue Landesordnung machte aus Böhmen ein habsburgisches Erbkönigtum.

        Die Kosten der Kriegsführung in Böhmen hatte Maximilian von Bayern übernommen. Dafür musste Ferdinand das Land Oberösterreich an Bayern verpfänden, das bedeutete für die Bauern erhöhte Abgaben. Dazu trieben die Habsburger die Gegenreformation in diesem sehr zahlreich von Protestanten bewohnten Land voran ( Frankenburger Würfelspiel.) Ein gewaltiges Bauernheer fügte dem bayrischen Statthaltereine schwere Niederlage zu und belagerte Linz. Nach langen Kämpfen unterlagen aber die Bauern. Das Land war verwüstet. Rund 15.000 Bauern verloren ihr Leben. Damit waren Bauernaufstände in Österreich sowohl 1525 als auch hundert Jahre später letztlich gescheitert. Die gänzliche Befreiung der  Bauern sollte erst 1848 erfolgen.

        Der Sieg der katholischen Liga über Böhmen bedeutete eine glückliche Stunde für das Haus Österreich, und wer bares Geld und gute Beziehungen besaß, konnte die konfiszierten Güter und Vermögen der Protestanten erwerben und über Nacht reich werden. Keiner verstand die Situation besser zu nutzen als Albrecht Wenzel Eusebius von Wallenstein, der als Kürassierobrist am Weissen Berg mitgeholfen und sich Verdienste erworben hat. Der böhmische Adelige wechselte nach dem Besuch einer Jesuitenschule zum katholischen Glauben, heiratete eine reiche Witwe und erwarb auf billigste Weise mehr als 60 Güter der vertriebenen oder getöteten protestantischen böhmischen Adeligen und verwendete diese Mittel zum Aufstellen einer Privatarmee. Er heuerte Soldaten an, egal, woher sie kamen oder welchen Glauben sie hatten, zahlte ihnen Sold und vermietete sie an den Kaiser weiter. Diese Söldnerheere wurden überall zu einer Landplage, denn Wallensteins Grundsatz war: “Der Krieg muss den Krieg ernähren.“ Damit entwickelte Wallenstein als neuer starker Mann beim Kaiser auch einen neuen Kriegsstil. Da Wallenstein den deutschen Fürsten zu mächtig wurde, betrieben sie beim Kaiser erfolgreich seine Absetzung. Als aber Gustav Adolf, der schwedische König, bis an die Grenzen der habsburgischen Länder vordrang, musste ihn ein gedemütigter Kaiser wieder als obersten Heerführer mit außerordentlichen Vollmachten einsetzen. Mit einem Riesenheer von 120.000 Mann drängte er den Schweden wieder nach Norddeutschland zurück und begann danach, auf eigene Faust mit den Gegnern zu verhandeln. In der Geschichtsforschung herrscht bis heute keine Klarheit über die Pläne und Ziele Wallensteins bei diesen Verhandlungen. Der Wiener Hof verdächtigte ihn des Verrats und enthob ihn seines Kommandos. Wallenstein wurde 1634 von kaiserlichen Offizieren in Eger ermordet. Der 30 – jährige Krieg ist damit aber nicht zu Ende.

        Nachdem schon früher fremde Mächte, wie Dänen und Schweden, von Holland und England unterstützt, für die Protestanten in den Kampf marschiert sind, greift jetzt auch das katholische Frankreich auf protestantischer Seite in den Krieg ein, da es an einer dauernden Machtverminderung des Hauses Habsburg interessiert ist. Schwedische Truppen dringen in der Endphase noch bis in Sichtweite von Wien vor. Der Krieg wird 1648 mit dem Westfälischen Frieden (Osnabrück und Münster) beendet.

        Österreich hat zwar die Kaiserkrone behalten – aber sie ist nichts mehr wert. Das Reich ist in 372 beinahe souveräne Fürstentümer und mehr als 2.000 größere und kleinere Herrschaftsgebiete zerfallen. Schweden und Frankreich erhalten Sitz und Stimme im Reichstag, die Schweiz und die Niederlande scheiden entgültig aus dem Reichsverband aus. Der Kaiser besitzt außerhalb seiner österreichischen Erblande kaum noch Einfluss. Und selbst in diesen Landen, die weniger vom Kriege getroffen sind als das übrige Reich – dort wurde die Bevölkerungszahl um ein drittel, in manchen Teilen des Reiches um die Hälfte reduziert – nehmen wirtschaftliche und menschliche Not zu. Denn in den folgenden Jahrzehnten müssen an die 40.000 Exulanten Österreich, 160.000 Protestanten Böhmen verlassen, wenn sie es ablehnen, katholisch zu werden. Unter den Kriegsfolgen hatte besonders die bäuerliche Bevölkerung zu leiden, denn ihre Felder waren verwüstet und ihre Dörfer zerstört. 

 

 Österreich wird Großmacht im 18. Jahrhundert

 

    Seit dem frühen 15. Jahrhundert hatten Türken die Süd – und Ostgrenze der habsburgischen Erbländer immer wieder angegriffen. Nachdem 1529 der erste Türkenansturm abgewehrt werden konnte, wurde die Südostgrenze immer mehr mit Flüchtlingen besiedelt, die als Wehrbauern bis ins 19. Jahrhundert entscheidend zur Sicherung des habsburgischen Reichsgebietes beitrugen.

Als aufständische Ungarn im Jahr 1683 die Türken um Hilfe gegen die Habsburger riefen, entsandte der Sultan seinen Großwesir Kara Mustafa mit einem Heer von 200.000 Mann gegen Österreich. In Wien standen nur 16.000 Verteidiger zur Verfügung, doch befanden sich die Befestigungen der Stadt in gutem Zustand. Tausende von Menschen, vor allem der Adel, flohen aus den bedrohten Gebieten. Nur größere Städte wie Wiener Neustadt oder Stifte wie Melk und Klosterneuburg konnten sich erfolgreich zur Wehr setzen. Die Bevölkerung kleinerer Orte erlitt jedoch ein grausames Schicksal. Am 12. September 1683 besiegte ein Ersatzheer unter der Führung des Polenkönigs Sobieski und Herzogs Karl von Lothringen, unterstützt vom Papst, sowie von den Kurfürsten Bayerns und Sachsens, mit ungefähr 75.000 Mann die Türken vernichtend.

     Kaiser Leopold I. begnügte sich diesmal nicht mit der Abwehr des gefährlichen türkischen Angriffes, sondern ging selbst zur Offensive über. 1686 konnte die ungarische Hauptstadt nach fast 150 – jähriger, türkischer Herrschaft erobert werden. Nun wurde Ungarn, wie Böhmen 1620, habsburgische Erbmonarchie, Schließlich besiegten 1697, der neuernannte Oberbefehlshaber Prinz Eugen von Savojen ein türkisches Heer entscheidend bei Zenta. 15 Jahre später nahm Prinz Eugen Belgrad ein. Durch den Frieden von Passarovitz (1718) erreichte Österreich seine größte territoriale Ausdehnung.

 

Österreichs größte Ausdehnung (1718)

 

    Die zweite Türkenbelagerung hatte vor allem dem südlichen Niederösterreich gewaltigen Schaden zugefügt. Eine zeitgenössische Publikation spricht von über 88.000 Verschleppungen. Dazu kam, dass zwei Pestepidemien vor allem Wien, Niederösterreich und die Steiermark verheerten. Nach Eroberung Ungarns wurden viele wirtschaftlich heruntergekommende Gebiete mit neuen Siedlern besetzt. Schwaben, Franken, Rheinländer, Deutsch – Böhmen und Niederösterreicher wurden im Grenzgebiet von Kroatien und Slavonien angesiedelt. Diese Siedler – man nannte sie “Donauschwaben“ – erhielten Grund und Boden sowie andere Privilegien sowie Steuerfreiheit für drei Jahre. Diese von Wien veranlasste Neubesiedlung folgte in drei Wellen von 1722 bis 1787.

      Im spanischen Erbfolgekrieg (1701 – 1714) – sowohl der französische König Ludwig XIV. als auch der österreichische Kaiser Leopold I. stellten nach dem Tod des letzten spanischen Habsburgers Karl II. Nachfolgeansprüche – trat eine europäische Koalition auf die Seite des Kaisers. Im Zusammenwirken mit dem englischen Feldherrn Malborough schlug Prinz Eugen die Franzosen in vielen Schlachten.

      Als allerdings Karl VI. nach dem unerwarteten Tod seines älteren Bruders Joseph I. auch die Herrschaft in den Erblanden übernahm und eine Vorherrschaft der Habsburger drohte, schlossen die Seemächte mit Frankreich 1713 den Frieden von Utrecht, Philipp von Anjou erhielt Spanien und die Kolonien; die Spanischen Niederlande (Belgien), Mailand, Neapel und Sardinien fielen an Karl VI. War es im 17.Jahrhundert Frankreich unter der Regierung Ludwigs XIV. gelungen, die spanische Vormachtstellung durch die eigene zu ersetzen, so trat mit dem Ende des spanischen Erbfolgekrieges an die Stelle dieser Tendenzen das System des europäischen Gleichgewichtes. Vier Großmächte (Frankreich, Russland, England, Österreich) standen gleich mächtig nebeneinander. Im Laufe des 18. Jahrhunderts trat Preussen als fünfte Großmacht hinzu. Das deutsche Reich war in viele größere oder kleinere Herrschaftsbereiche zerfallen: es zählte nicht mehr als Großmacht. Die Erhaltung dieses Gleichgewichtes wurde durch diplomatische Konferenzen, durch einen Wechsel der Koalitionen und immer wieder durch Kriege angestrebt.

       Der Triumph des absoluten Herrschers  über die Türken und der Sieg der katholischen Kirche über den Protestantismus bildeten die Grundlage für ein neues Weltbild. Der von Gottes Gnaden allein regierende Fürst zeigte seinem Volk seine Macht und seinen Reichtum. Dieses Volk war zu einer Masse unselbständiger Untertanen herabgesunken. Die Residenz des Kaisers, aber auch die Paläste seiner adeligen Herren wurden mit verschwenderischem Luxus ausgestattet. Die neue Barockkunst kam dabei den Absichten der hohen Herren entgegen. Sie hatte sich aus der Renaissance entwickelt und stammte wie diese aus Italien.

       In Harmonie mit den absolutistischen Herrschern zeigten die Jesuiten den Menschen ein Gottesreich, dessen Abglanz schon hier auf Erden für alle sichtbar wurde. Wie der Kaiser ein prunkvolles Schloss bewohnte, so wurde auch dem höchsten Herrn eine Königshalle gebaut, wo das viele Gold den Eintretenden blendete. Christus zeigte sich in erster Linie als König der Welt, nicht so sehr als der Leidende, der sich den Erniedrigten und Beleidigten zuwandte. Berühmte Zeugnisse des Barock in Österreich sind die Karlskirche in Wien von Johann Bernhard Fischer von Erlach, das Schloss Belvedere in Wien, errichtet von Lukas von Hildebrandt als Sommerpalast für den Prinz Eugen, sowie unter vielen anderen Kirchen die Stiftskirche von Melk.

       Diese prächtigen Paläste und Kirchen des Barock dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es daneben Armut und soziale Randschichten gab. Die Bettlerpatente und Armenordnungen unterschieden zwischen Bettlern und Armen, die von der Gesellschaft anerkannt und solchen, die von ihr geächtet wurden. Nur mehr die Arbeitsunfähigkeit wurde als Voraussetzung für karitative Unterstützung anerkannt. Sogenannte arbeitscheue Elemente wurden zwangsrekrutiert für das Militär oder für Ruderdienste oder zu Zwangsarbeit in den oberungarischen Bergwerken herangezogen. Daneben gab es im 17. Jahrhundert bereits Arbeitshäuser. Angehörige wichtiger Berufe wie Müller, Weber, Bader, Töpfer oder Totengräber wurden als “unehrliche Leute“ gemieden. Auch Zigeuner waren Außenseiter der Gesellschaft. Sie galten noch im 17. und frühen 18. Jahrhundert als vogelfrei.

       Der Merkantilismus wurde in Österreich zur Regierungszeit Karls VI., also in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, nur zögernd verwirklicht. Mit staatlicher Hilfe entstanden in dieser Zeit Spiegel -, Porzellan -, Tabak – und Baumwollmanufakturen.

       Karl VI. wollte dem eventuellen Mangel eines männlichen Erben vorbeugen, zu diesem Zweck erließ er 1713 die Pragmatische Sanktion: Die österreichischen Erbländer werden darin für “unteilbar und untrennbar“ erklärt; weibliche Nachfolge ist vorgesehen. Aufgrund dieses ersten Staatsgrundgesetzes der Habsburgermonarchie trat siebenundzwanzig Jahre später Maria Theresia die Herrschaft in den österreichischen Erbländern an.

       Für die internationale vertragliche Anerkennung dieses habsburgischen Hausgesetzes zahlte Österreich einen hohen wirtschaftlichen und politischen Preis. Diese Gelder fehlten dann zur Ausrüstung einer schlagkräftigen Armee. Denn gleich nach dem Tod Karls VI. 1740 schlossen sich die Gegner des Hauses Habsburg, nämlich Frankreich, Spanien, Sardinien, Bayern und Sachsen zu einer Koalition gegen Österreich zusammen. Dazu kam unerwartet ein anderer gefährlicher Gegner: Friedrich II. von Preussen. Der bayrische Kurfürst Karl Albrecht marschierte in Oberösterreich ein und drang bis Prag vor, wo er sich zum böhmischen König krönen ließ. Wenig später erfolgte seine Krönung zum römisch – deutschen Kaiser in Frankfurt (Karl VII. 1742 – 1745.) Damit unterbrach ein Herrscher aus dem Hause Wittelsbach die Jahrhunderte währende Reihe der habsburgischen Kaiser.

       Mit ungarischer und englischer Hilfe – England führte gleichzeitig einen Kolonialkrieg gegen Frankreich in Nordamerika und Vorderindien – wurden Bayern und Franzosen aus Böhmen vertrieben und Bayern konnte sogar besetzt werden. Der Kurfürst verzichtete gegen die Rückgabe Bayerns auf alle Ansprüche Österreich. 1745 wurde Franz von Lothringen, der Gemahl Maria Theresias, mit Zustimmung Friedrichs II. zum römisch – deutschen Kaiser gewählt. Dank eines  Bündnisses mit Russland musste Österreich im Frieden von Prag (1748) nur zwei kleine italienische Fürstentümer abtreten, alle beteiligten Mächte anerkannten nun die Pragmatische Sanktion. Österreich hatte seine Stellung als Großmacht behauptet. In den folgenden Jahren wurde das Heeres – und Finanzwesen reformiert.

       Dem Staatskanzler Kaunitz gelang es, Frankreich als neuen Bündnispartner zu gewinnen, Preussen hatte sich hingegen mit England arrangiert. Seit dem 15. Jahrhundert hatte der Gegensatz zwischen Frankreich und den Habsburgern die europäische Geschichte beherrscht. Der Aufstieg Preussens zur zweiten deutschen Großmacht verursachte eine bis 1866 dauernde Auseinandersetzung zwischen Preussen und Österreich um die Vormacht in Deutschland. Um der feindlichen Koalition zuvorzukommen, eröffnete Friedrich II, den 7 – jährigen Krieg (1756.) Nach wechselvollem militärischen Verlauf musste Österreich 1763 endgültig auf das industriereiche Schlesien verzichten. Der Hauptgewinner dieser Auseinandersetzung blieb England. Österreich konnte die verschiedenen außenpolitischen Krisen nur bewältigen, weil Maria Theresia entscheidende Reformen durchführte. Im Heer wurde die Aushebung der Bauernsöhne und Taglöhner für den lebenslänglichen Militärdienst eingeführt. Die Ausbildung der Offiziere erfolgte in der neu gegründeten Wiener Neustädter und Wiener Akademie (Theresianum.) Maria Theresia unterwarf den bisher abgabenfreien Grundbesitz des Adels und der Geistlichkeit der Steuerpflicht. Zur praktischen Durchführung dieser Steuerreform ließ sie eine Volkszählung machen, die Häuser nummerieren und ein Grundbuch anlegen. Die Verwaltung wurde zentralisiert. Die böhmisch – österreichischen Erbländer wurden in Gubernien (etwa Landesregierungen) und diese wieder in Kreisämter gegliedert (Bezirkshauptmannschaften.) Die Zentrale bildete die Vereinigte böhmisch – österreichische Hofkanzlei (Innenministerium.) Sie schaltete damit die ständische Verwaltung aus. Die Beziehung mit dem Ausland betreute die Haus -, Hof – und Staatskanzlei. Verwaltung, Justiz (oberste Justizstelle) und Finanzen (Hofkammer) wurden streng voneinander getrennt. Der Staatsrat hatte die Aufgabe, die Arbeit der einzelnen Ministerien aufeinander abzustimmen und die Herrscherin zu beraten.

       Die Rechtspflege wurde, entsprechend dem Geist der Aufklärung, verbessert, die Folter wurde als Beweismittel abgeschafft, das Strafrecht wurde in der “allgemeinen peinlichen Halsgerichtsordnung“ zusammengefasst und die Abfassung des Allgemeinen

Bürgerlichen Gesetzbuches wurde begonnen, aber dann erst 1811 vollendet. Daneben ließ Maria Theresia die “allgemeine Schulordnung“ ausarbeiten.

       Joseph II. begann nach dem Tod seiner Mutter Maria Theresia (1780) eine Reihe überstürzter Reformen. Er wollte in kürzester Zeit einen zentralen Wohlfahrts – und Einheitsstaat errichten und nahm dabei keine Rücksicht auf historische Traditionen oder religiöse Gefühle. Auf dem Gebiet des Rechtsweges legte er einen einheitlichen Instanzentzug fest. Die Todesstrafe wurde mit Ausnahme des Verbrechens des Aufruhrs abgeschafft.

       Als erster europäischer Fürst verkündete Joseph in seinem Toleranzpatent die Zulassung aller christlichen Konfessionen. Großes Aufsehen verursachte der Kaiser mit der Aufhebung rund eines Drittels all jener Klöster, deren Mitglieder keinen sichtbaren Nutzen für die Gesellschaft erbrachten. Er ließ nur die Orden bestehen, die sich der Seelsorge, der Krankenpflege oder dem Unterricht widmeten. Anderseits gründete Joseph II. an die 3.000 neue Pfarrstellen, um die Seelsorge zu verbessern. Das beschlagnahmte Vermögen der aufgelösten Klöster wurde dem Religionsfonds zugeführt, der zur Finanzierung kirchlicher Einrichtungen und der Armenhilfe verwendet wurde. Eingriffe Josephs in die religiösen Gebräuche erregten eine arge Missstimmung in breiten Schichten der Bevölkerung.

       Josephs Reformen waren zwar von sozialem Denken geleitet, doch ging er allzu hastig an ihre Umsetzung heran. Er hob die Leibeigenschaft der Bauern auf und plante sogar die Enteignung großgrundbesitzender Adeliger. In Wien errichtete er das allgemeine Krankenhaus, ein Taubstummeninstitut, Waisen – und Invalidenhäuser und die erste Irrenanstalt der Welt. Joseph II. hatte keine Kriege zu führen, das Innviertel war noch zu Lebzeiten Maria Theresia (1779) von Bayern an Österreich gekommen. Ist Maria Theresia als Mutter des Vaterlandes in die Geschichte eingegangen – man denke an das Bild, als sie den sechsjährigen Wolfgang Amadeus Mozart in ihrer Residenz im Schloß Schönbrunn empfängt -,so gilt Joseph als der aufgeklärte Despot, der Volkskaiser oder, wie es auch hieß, der “Bauern Gott, des Adels Spott.“ Als Joseph II. starb (1790), war Europa im Umbruch, begann eine neue Ära, die Ära der französischen Revolution, die Zeit Napoleons und die Zeit des nationalen Aufbruchs.

 

Napoleon, der Wiener Kongress und Metternich

 

       Die Französische Revolution erweckte auch in Österreich beim intellektuellen Bürgertum den Wunsch nach Freiheit und Veränderung des Systems, insbesondere die Freimaurerei hatte in Wien ihre Anhänger. Da aber der Wiener Hof durch die Ehe Marie Antoinettes, einer Tochter Maria Theresias, mit dem französischen König Ludwig XVI. mit dem Schicksal der Burbonen eng verbunden war, waren die Habsburger die natürlichen Anführer einer europäischen Koalition gegen das revolutionäre Frankreichs. Die Zeit von 1792 bis 1814 war voller Unruhe, Kriege und Veränderungen der politischen Konstellation Europas.

       Die Radikalisierung in Frankreich, insbesondere die Enthauptung Marie Antoinettes und der Terror Robespierres, Schreckten auch die Menschen in Österreich, doch der militärische Siegeszug Napoleons machte auch vor Österreich nicht Halt, wenngleich er 1809 seine erste Niederlage bei Aspern ( nördlich von Wien) hinnehmen musste. Ansonsten aber gab es für Österreich gegen Napoleon nur Niederlagen und Gebietsverluste: 1797 musste es auf Belgien und die Lombardei verzichten, 1805 verlor es auch Venetien, Istrien, Dalmatien, Tirol und Vorderösterreich und 1809  noch Südtirol, Salzburg, das Innviertel und Galizien.

       Wichtiges politisches Ergebnis der napoleonischen kriege war aber für Österreich der sogenannte “Reichsdeputationshauptschluß“ (Aufhebung der Souveränität von 112 deutschen Kleinstaaten und der geistlichen Fürstentümer.)Dafür wurden neue Mittelstaaten wie das Königreich Bayern, das Herzogtum Württemberg und das Großherzogtum Baden geschaffen. 1806 legte Kaiser Franz II. die Krone des “Heiligen römischen Reiches deutscher Nation“ nieder, nachdem er sich bereits 1804 zum Kaiser von Österreichs erklärt hatte. Nach der dritten Niederlage Österreichs gegen Napoleon 1809 tritt in Österreich eine Wende ein: Der ehemalige Pariser Gesandte Metternich wird Staatskanzler. Er betreibt eine Politik des Ausgleichs mit Frankreich und leitet die heirat der Kaisertochter Maria Luise mit Napoleon in die Wege. Wirtschaftlich ist Österreich durch die vielen Kriege ausgeblutet. Inflation und Preissteigerungen erschüttern das Land. 1811 musste die Regierung den Staatsbankrott erklären.

        Die französische Revolutionsarmeen, die Europa die neuen Ideen des Nationalismus und des beginnenden Sozialismus, der Freiheit der Menschenrechte und Gleichheit gebracht hatten, wurden 1813 und 1814 endgültig besiegt, aber die Ideen lebten weiter, auch im Bewusstsein der Völker des österreichischen Kaiserreiches. Doch den Fürsten ging es 1814 auf dem Wiener Kongress in erster Linie um die Wiederherstellung der politischen Verhältnisse vor 1789 und um die Verdrängung all dessen, was die französische Revolution gebracht hatte. Restauration und Legitimität waren die Grundsätze, und Solidarität bedeutete gemeinsames Vorgehen der Legalen Fürstenhäuser Russlands, Preussens und Österreichs zur Unterdrückung aller revolutionären Regungen. Das Instrument dafür hieß “ heilige Allianz“.

        Diese konservativ – reaktionäre politische Richtung wurde vom österreichischen Staatskanzler Fürst Metternich bestimmt, mit dem Wiener Kongress genoss Österreich höchstes internationale Prestige. Gleichzeitig geriet es dadurch in eine neue Wirtschaftskrise. Die in der napoleonischen Zeit verlorenen Gebiete bekam Österreich allerdings wieder zurück, mit Ausnahme der österreichischen Niederlande, die mit den unabhängigen nördlichen Niederlanden vereinigt wurden. Anstelle des deutschen Reiches entstand  der deutsche Bund mit 39 weitgehend souveränen Einzelstaaten.

 

 Europa nach dem Wiener Kongress 1814/15

 

 Die Schaffung des deutschen Bundes schob der Idee eines national geeinten Deutschlands unter Preussens Führung den Riegel vor. Die Bundesgewalt lag bei einer ständigen Konferenz von weisungsgebundenen Gesandten. (Der bundestag war in frankfurt am Main unter dem Vorsitz Österreichs.) Überdies waren die Befugnisse des Bundestages sehr beschränkt und vor Beschlüssen war Einstimmigkeit notwendig, was fast jede Entscheidung verhinderte. Günstig für die Bevölkerungsentwicklung war die Gewährung der Freizügigkeit, durch die der Wohnsitzwechsel innerhalb des Gebietes leicht gemacht war. Österreich war nur mit seinen deutschsprachigen Gebieten Mitglied des deutschen Bundes, was eine Stärkung der nichtdeutschen Nationalitäten Österreichs bedeutete. Der Dualismus der Großmächte Österreichs und Preussen war in dieser Organisation von vornherein abzusehen. Auf das Turnfest auf der Wartburg (1817), eine öffentliche Demonstration für ein geeintes Deutschland gegen den Polizeistaat, antworteten die Fürsten und insbesondere Metternich mit den Karlsbader Beschlüssen, die den Beginn des “Metternichschen System“ darstellten: die Studentenverbindungen und Burschenschaften werden aufgelöst und die Universitäten unter Polizeiaufsicht gestellt. Die Turnbewegung wird verboten, eine Zentraluntersuchungskommission gegen demagogische Umtriebe wird eingesetzt, alle Gegner des Systems werden überwacht bzw. inhaftiert. Die Folge war eine große Auswanderungswelle in die USA, nach Großbritannien oder in die Schweiz. Der Großteil der österreichischen Bürgertums aber zog sich aus der Politik in die häusliche Idylle zurück(Biedermeier.)

        Auf die Dauer konnten jedoch die liberalen Ideen nicht unterdrückt werden. Sie brachen in den Revolutionen von 1848 machtvoll wieder hervor. Besonders das Bürgertum, das wirtschaftlich einflussreich geworden war, verlangte nach politischer Mitbestimmung. In Österreich war nach dem Tod Kaiser Franz I. (1835) der schwachsinnige Ferdinand Kaiser geworden, so dass in Wirklichkeit Metternich regierte, der Österreich eine über 30 – jährige Friedenszeit brachte, indem er alle nationalen und liberalen Bewegungen unterdrückte. Ausgelöst durch die Februarrevolution in Frankreich kam es im März 1848 zur Erhebung in Wien. Der Kaiser war daraufhin nach Innsbruck, Metternich nach England geflohen.

 

Die Donaumonarchie unter Franz Joseph I. (1848 bis 1916)

 

        Für die Habsburger bedeutete die Revolution 1848/49 eine mehrfache Bedrohung: Einerseits verlangen die Bürger, die Arbeiter und die Bauern politische und soziale Rechte, anderseits strebten die Tschechen, Ungarn, Italiener und andere deutsche Völker nach nationaler Eigenständigkeit. Um den Bestand der Monarchie zu retten, gab die Regierung zunächst nach. Sie versprach Presse – und Versammlungsfreiheit, Schwurgerichte und eine konstitutionelle Verfassung und erließ die Aufhebung der Grunduntertänigkeit der Bauern. Aufstände, auch in  Böhmen und Italien, werden mit Militärgewalt niedergeschlagen. Das Heer erweist sich als verlässliche Stütze der Habsburger, und als im Oktober 1848 Arbeiter und Kleinbürger radikale Forderungen stellen, distanziert sich auch das Großbürgertum von der Revolution. Die Führer der Aufständischen werden nun erschossen, der nach Olmütz geflohene Hof hebt den kaum 19 – jährigen Franz Joseph im Dezember 1848 auf den Thron. Dieser kann im folgenden Jahr mit russischer Militärhilfe und mit Feldmarschall Radetzky auch den ungarischen Aufstand niederschlagen und eine Militärdiktatur errichten.

        Die Finanzen des Habsburger Staates sind in katastrophalen Zustand. Die nationalen Strömungen der Landesteile gingen weiter, und die Germanisierungspolitik verbittert Slawen, Ungarn, Italiener, Kroaten und Slowenen. 1853 misslingt ein Attentat eines ungarischen Studenten auf Franz Joseph knapp. Jetzt endlich erlässt Fürst Schwarzenberg eine zentralistische “oktroyierte Gesamtverfassung“, die die nichtdeutschen Völker benachteiligt. Im Krimkrieg von 1853 bis 1856 verhält sich Österreich so schwankend, dass es am ende mit beiden Parteien verfeindet ist und vor allem die Russen gründlich verstimmt. 1859 bricht aus dem Freiheitsstreben Italiens noch einmal Krieg hervor: bei Malgenta und Solferino wird das große österreichische Heer von den durch Frankreich unterstützten Sardinier Piemontesen geschlagen. Die gesamte Lombardei geht an Italien verloren.

        Die neue Zeit, angereichert durch die industrielle Revolution und die soziale Frage, schreitet unaufhaltsam voran. Die Bevölkerungszahl Wiens steigt von 440.000 im Jahr 1850 auf 2.031.000 im Jahr 1910 an. Sinnlos sind für die rasch wachsende, durch Industrie, Handel und ständigen Zuzug vom Lande anschwellende Stadt Wien die alten Wälle und Sternbefestigungen geworden. Der Kaiser gibt das Glacis zur Bebauung frei und die Ringstraße entsteht.

        Rückt Österreich 1864 noch an Preussens Seite gegen Dänemark ins Feld, um als Mitglied des deutschen Bundes die Herzogtümer Schleswig – Holstein ins Reich zurückzuholen, so wird kurz darauf die Rivalität der beiden größten deutschen Staaten um die Führung immer deutlicher. Preussen verbündet sich mit Italien, dann besetzt es das von Österreich verwaltete Holstein. Die Kriegserklärung Österreichs ist unvermeidlich. Das Kalkül des preussischen Ministerpräsidenten Otto Graf Bismarck geht auf. Der französische Kaiser Napoleon III. sympathisiert bloß mit Österreich, die süddeutschen Staaten sind offen auf der Seite der Habsburger. Aber die österreichische Armee ist aus Geldmangel nur unzureichend ausgerüstet. Die Infanterie schießt  noch mit Vorderladern und alten Ringkanonen, während Preussens Heer moderne Zündnadelgewehre und geschütze besitzt. Bei Königsgrätz (1866) siegen die preussischen Armeen unter General Moltke über die österreichischen Benedek.

        Für die preussischen Truppen war nun der Weg bis zur Donau frei, die überlegene österreichische Artillerie konnte lediglich den Rückzug der eigenen Armee decken. Die bunten Farben der einzelnen österreichischen Regimenter boten nur ein farbenfrohes Bild, konnten aber die veraltete Ausrüstung keineswegs wettmachen. Admiral Tegethoff gewann zwar bei Lissa eine See – und ein österreichisches Heer bei Custozza eine Landschlacht gegen die Italiener, aber der Krieg war für Österreich verloren, die Entscheidung zwischen den Häusern Hohenzollern – Preussen und Habsburg  - Österreich endgültig gefallen. Im Frieden zu Prag und Wien verzichtet Österreich auf Schleswig – Holstein und Venetien. Es tritt aus dem deutschen Bund aus.

        Franz Joseph musste die politischen Konsequenzen aus dieser Niederlage ziehen und unterzeichnete den Ausgleich (1867), einen Vertrag, der Österreich und Ungarn als zwei selbstständige, nur durch Außenministerium, gemeinsame Armee und Finanzverwaltung und Personalunion mit dem Kaiserhaus verbundene Staaten begründet. Damit war die K. u. K. – Monarchie entstanden (das erste K stand für Kaiserlich, das zweite für Königlich, soweit es Ungarn und Böhmen betraf.) Das regte den Nationalismus der Slawen, vor allem der Tschechen, gewaltig auf, da sie in diesem Dualismus eine Zurücksetzung des slawischen Elements sahen. Österreich wandte sich nach dem Ausscheiden aus dem deutschen Raum nun verstärkt dem Balkan zu und geriet damit allmählich in einen Gegensatz zu Russland.

        Gegen die Menge der Probleme kommen die schwächlichen Reformen der Regierung nicht mehr an. Da werden ein Staatsgrundgesetz, ein Reichsvolksschulgesetz, Kirchengesetze und ein Gesetz zur allgemeinen Wehrpflicht erlassen. Die Armee wird langsam und sehr unvollkommen umgerüstet. Die schon früh in Österreich gemachte Erfindung des Panzerwagens lehnt man z.B. ab, weil die schönen Kavalleriepferde scheu werden. Überall fehlt es an Geld, an leistungsfähiger Industrie, an Energie der Beamtenschaft. 1873 bringt unmittelbar nach der Eröffnung der Wiener Weltausstellung der große Wiener Bankkrach eine Wirtschaftskrise. Deutschland hat 1870/71 den Krieg gegen Frankreich gewonnen. Das zweite deutsche Kaiserreich unter Hohenzollern – Führung ist gegründet. Bismarcks Politik beherrscht das Feld.

        Der österreichische Kaiser erlebt persönlich eine Tragödie nach der anderen. 1867 wird sein Bruder Maximilian, Kaiser von Mexiko, erschossen. 1889 erschießt sich Kronprinz Rudolf mit seiner Geliebten in Mayerling. 1898 wird die geliebte, eigenwillige Kaiserin Elisabeth von einem Anarchisten ermordet. Das Haus Habsburg – Lothringen zeigt  Auflösungs – und Verbürgerlichungserscheinungen: Der Thronfolger Franz Ferdinand geht eine unebenbürtige Ehe ein, der zweitälteste Sohn stirbt früh, der dritte verliert als Franz Burg all seine Rechte. Ein Neffe des Kaisers führt ein kleinbürgerliches Leben, dessen Schwester Luise, die den König von Sachsen heiratete, geht mit dem Hauslehrer Tuselli durch, und ein Vetter ist als Johann Ort verschollen.

        Neben dem gärenden Nationalismus ist als neue Sprengkraft der Monarchie der Sozialismus getreten. Schon 1867 hat sich der erste Arbeiterverein in Wien konstituiert. Viktor Adler gründet 1888/89 die Sozialdemokratische Partei, die ab 1910, als das allgemeine, gleiche und geheime wahlrecht eingeführt wird, rasch an Bedeutung gewinnt. Gegen das aufkommende Proletariat gründen die Kleingewerbetreibenden und Landwirte den Christlich – sozialen Verein. Ihr Mann ist Karl Lueger. Diese Partei, aber viel mehr noch die Deutschnationalen des Georg von Schönerer, vertreten die Ideen der Eindeutschung und des Nationalismus.

        Dies alles spielt vor dem Hintergrund einer zunehmenden Isolierung der Donaumonarchie. Russland schürt den Panslavismus, weil es mit Hilfe der Serben an die Adria und mit Unterstützung der Tschechen weiter gegen den Westen vorzudringen hofft. England und Frankreich sehen in Österreich den treu an das deutsche Reich gebundenen Verbündeten.

        Das Drei – Kaiser – Bündnis, von Bismarck geschmiedet, dauert nicht lange. Es wird 1879 durch den Zweibund zwischen Deutschland und der Donaumonarchie ersetzt und 1882 mit Hinzuziehung Italiens zum Dreibund erweitert. Die Annexion von Bosnien und Herzogovina (1908), die seit dem Berliner Kongress 1878 von Österreich besetzt waren, führt in Serbien einen neuen, von Russland unterstützten Feind herauf. Seit 1903 geht die panslavistische  Propaganda gegen Österreich – Ungarn vor allem von Belgrad aus. Hier arbeitet der Geheimdienst an der Zerstörung des Habsburgerreiches.

        Niemand höhrt auf den Thronfolger, Erzherzog Franz – Ferdinand, der den Ausgleich mit den Slaven anstrebt, indem er einen Trialismus, mit einem eigenen slavischen geleiteten Reichsteil, vorschlägt. Der alte Kaiser und sein Kabinett pflegen die alte Konstruktion der Monarchie mit Polizei, Zensur, Gericht und Militär. Der Mann des Ausgleichs, Franz – Ferdinand, wurde durch die Pistolenschüsse des bosnischen Studenten Gavril Princip am 28. Juni 1914 in Sarajewo ermordet.

        Damit sollte eine mehr als 40 – jährige Friedenszeit für Österreich zu Ende gehen. Nach vierwöchigem Zögern und diplomatischem Verhandeln richtet Österreich ein hartes Ultimatum an Serbien, dessen Geheimorganisation “Schwarze Hand“ für den Mord verantwortlich ist. Da Russland daraufhin mobilisiert, ist der krieg unvermeidbar geworden. Die strebende bürgerlich – feudale Welt tritt mit der Kriegserklärung Österreich – Ungarns an Serbien am 28. Juli 1914 in den ersten Weltkrieg und damit in die Phase ihres Untergangs ein. Es folgt Kriegserklärung auf Kriegserklärung. Alle Versuche von Einzelpersonen, den Krieg doch noch zu vermeiden, sind gescheitert. Kaiser Franz – Joseph war gegen den Krieg. Er wurde von seinem Generalstabschef Conrad von Hötzendorf  gedrängt. Bezüglich der Kriegsschuldfrage ist allen Regierungen Europas zumindest fahrlässiges handeln vorzuwerfen.

        Für die Donaumonarchie zogen Deutsche, Tschechen, Slowenen, Kroaten, Italiener, Dalmatiner, Südslaven und Ungarn unter den Bannern des Kaisers ins Feld. Sie trugen als einziges Heer in einem Krieg der grauen Massen noch die bunten Uniformen der alten Zeit. Ihre Ausrüstung ist veraltet, der Nachschub fragwürdig. Und trotzdem hält Österreich 1915 dem Ansturm der russischen Massen im Osten stand. Als der Verbündete Italien im Mai 1915 den Krieg erklärt, ist für Österreich auch eine Südfront entstanden, die sie in zwölf Isonzonschlachten  bis zuletzt behaupten kann.

        Das 54 – Millionen – Reich kämpft noch einmal zusammen mit der anderen Mittelmacht Deutschland, verbündet auch mit der Türkei und Bulgarien gegen eine Übermacht, das ist die Triple Entente von Frankreich, England und Russland, seit April 1917 auch gegen die Vereinigte Staaten von Amerika. Die österreichisch – ungarische Armee hatte wegen ihrer Zusammensetzung aus mehreren Völkern (25 % deutschsprechend,23 % ungarisch und 40 % slawisch) darauf Bedacht zu nehmen, dass die slawischen Regimenter an der italienischer Front eingesetzt waren, wo sie mit äußerstem Einsatz kämpften, was an der russischen Front nicht gegeben gewesen wäre. 1916 gelang es den Mittelmächten, die Russen aus Polen zu verdrängen und weite Teile des Balkans zu besetzen. In dieser noch immer günstigen Lage wäre es sinnvoll gewesen, Friedensverhandlungen zu suchen. Aber der deutsche Kaiser und seine Heeresleitung waren zu Einsicht nicht zu bewegen. Am 20. November 1916 starb Kaiser Franz – Joseph I. im Alter von 86 Jahren, und sein Neffe und Nachfolger Karl I. hatte nicht die Kraft, wenigstens zu diesem Zeitpunkt das Bündnis mit Deutschland zu beenden.

        Er war Kriegsgegner und hatte klar erkannt, dass Österreich einen noch länger andauernden Krieg nicht überstehen würde und nahm daher in einem Brief  an seinen Schwager Sixtus von Bourbon – Parma Kontakt zu den Alliierten auf, um zu erkunden, dass diese die Zerstörung Österreich – Ungarns vorerst nicht wollten, da sie die Großmacht im Donauraum gegenüber dem deutschen Reich zu erhalten trachteten. Infolge der starren Haltung der deutschen Regierung und des Drängens tschechischer Emigranten nahmen die Alliierten dann jedoch die Auflösung Österreich – Ungarns in ihr Kriegsziel auf.

        Die Oktoberrevolution und militärische Niederlage Russlands 1917 änderte nichts am bevorstehenden Zusammenbruch Deutschlands und Österreichs an der Westfront. Zu spät suchte das Haus Habsburg – Lothringen die auseinanderstrebenden Völker seiner Donaumonarchie durch Zugeständnisse an sich zu binden. Auch das am 16. Oktober 1918 veröffentlichte Manifest Kaiser Karls zur Neugliederung Österreich – Ungarns in einen Bund autonomer Staaten änderte nichts mehr. Schon hatten sich in Prag und Agram eigene Nationalräte gebildet.

        Am 29. Oktober wurde das Königreich der Serben, Kroaten und Slovenen gegründet. Einen Tag vorher wurde die tschechoslowakische Republik ausgerufen. Am 30./31. Oktober 1918 wurde von der “provisorischen Nationalversammlung für Deutsch – Österreich“ die erste österreichische Regierung unter dem Vorsitz des Sozialdemokraten Doktor Karl Renner gebildet. Am 11. November verzichtete Kaiser Karl auf jeden Anteil an den Regierungsgeschäften. Am 12. November wurde die Republik Deutsch – Österreich proklamiert. Im Artikel 2 des neuen Staatsgrundgesetzes hieß es: “Deutsch – Österreich ist ein Landteil der deutschen Republik.“ Im 19. Jahrhundert wanderten auch viele Österreicher nach Übersee aus: der größte Teil davon in die vereinigten Staaten, einige aber auch nach Kanada, Südamerika und Australien. Sehr häufig trifft man in den USA auf Nachkommen früherer Einwanderer und auf ihre Spuren in Namen, Inschriften, Museen, Stadtbildern, Sprachinseln, Bräuchen und Gewohnheiten.

        Die Auswanderungsmotive waren meist vielschichtig und komplex. Es gibt religiöse, politische, wirtschaftliche, soziale und individuell – psychologische Gründe. In der Zeit des Vormärz, in der reaktionären Zeit der gescheiterten Revolution von  1848 oder in der Zeit der Sozialistenverfolgung um 1885 gab es auch politische Flüchtlinge, die keine Aussicht auf eine wirtschaftlich gesicherte Existenz  sahen. Der Großteil der Auswanderer wurde bis ins 20. Jahrhundert hinein aus Angehörigen der unteren und mittleren, nicht aber der ärmsten Bevölkerungsgruppen gestellt. Alte Siedlungskolonien, eigene Gebiete mit starkem deutschem Bevölkerungsanteil und deutsche Viertel in Großstädten entstanden, insbesondere in New York, Chicago, Cincinnati, Milwaukee und Saint Louis.

 

Österreich – erste Republik 1918 – 1938

 

        Das 20. Jahrhundert brachte für Österreich zunächst die Niederlage an der Seite Deutschlands und die Auflösung des Vielvölkerstaates Österreich – Ungarn. Der Reststaat, die Republik Österreich (der Name “ Deutsch – Österreich“ wurde im Friedensvertrag von Saint Germain  am 10.  September 1919 untersagt) erschien den meisten Menschen allein nicht lebensfähig. Wenn auch die unmittelbaren militärischen Handlungen nicht in Österreich selber stattfanden, so befand es sich doch in einer katastrophalen wirtschaftlichen Lage, es herrschte Hunger und es bestand wenig Aussicht auf schnelle Besserung, da ein einstmaligen großen Rohstoffreserven in den neuen Nachfolgestaaten der Monarchie lagen. Österreich hatte sich aus der Donaumonarchie wieder in das kleine Land im Osten zurückverwandelt. Von 54.000.000 Einwohnern verblieben ihm 7.000.000. Wien war der weltstädtische Wasserkopf des Kleinstaates geworden.

        Österreich musste sich in St. Germain dazu verpflichten, sich niemals derer deutschen Republik anzuschließen. Die Verfassung des neuen Staates war demokratisch und föderalistisch, der Föderalismus war dabei begünstigt durch die Kontinuität der Ländereinteilung seit dem Mittelalter.

        Das heutige Burgenland (Deutsch – Westungarn) wurde Österreich zugesprochen, konnte aber erst 1921/22 mit Hilfe von Heer und Gendarmerie von Österreich übernommen werden. Außerdem musste der Raum Ödenburg durch eine unter italienischem Einfluss zustandegekommende Volksabstimmung wieder an Ungarn abgetreten werden. 1925 wurde Eisenstadt die Hauptstadt des neuen Bundeslandes Burgenland. Dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, wie es der amerikanische Präsident Wilson in seinem 14 – Punkte – Programm gefordert hatte, wurde im Falle Österreichs keinesfalls Rechnung getragen: vom ehemaligen Kärnten fielen das Miesstal und Drauburg ohne Volksabstimmung an Jugoslawien und das Kanaltal an Italien. Die Landwehren und Heimatwehren führten den Abwehrkampf gegen die eingebrochenen Kroaten und Serben. Im Oktober 1920 wurde in Südkärnten eine Volksabstimmung durchgeführt, die ein klares Ja zum Verbleib Südkärntens bei Österreich brachte.

        Besonders geringes Vertrauen in Dem Neuen Staat hatte man im Westen Österreichs: in Vorarlberg ergab sich eine hohe Mehrheit für einen Anschluss an die Schweiz, und in Tirol spielte man zeitweise sogar mit dem Gedanken der Errichtung einer eigenen Republik in der Hoffnung, auf diese Weise das an Italien verlorengegangene Südtirol halten zu können. In Tirol und Salzburg gab es Volksabstimmungen, in denen sich mehr als 90% für eine Angliederung an Deutschland entschieden. Ein Habsburgergesetz enteignete das Kaiserhaus Habsburg – Lothringen und verwies den Kaiser und seine Familie für immer des Landes. Der Adel mit all seinen Titeln und Privilegien wurde abgeschafft.

        Die Erste Republik Österreich war wirtschaftlich und politisch außerordentlich gefährdet: die Währung verfiel rapide (am 1. Juli 1920 notierten 100 Schweizer Franken mit 360.000 Kronen), es gab eine galoppierende Inflation, Arbeitslosigkeit, Hunger und revoltierende Unruhen.

        Die weitere Entwicklung Österreichs wurde wesentlich gehemmt durch den bald einsetzenden Streit der beiden Großparteien, der Christlich – Sozialen und der Sozialdemokraten, die 1920 aus der bisherigen Regierungskoalition austraten und bis zu ihrem Verbot in Opposition blieben. Das Gleichgewicht der beiden Parteien sowie deren ständige Radikalisierung lähmten das Wirtschaftsleben und die politische Entwicklung immer mehr. Die Parteien schufen militärähnliche Formationen: das bürgerliche Lager schuf sich die Heimwehren, den Heimatschutz und die Frontkämpfervereinigung, die Sozialdemokraten Arbeiterwehren und 1924 den republikanischen Schutzbund. Zwischen den Formationen der beiden Großparteien kam es bei Demonstrationen häufig zu tödlichen Auseinandersetzungen.

        1922 gelingt es der Regierung des Prälaten Ignaz Seipel, eine namhafte Völkerbundanleihe zu bekommen, die allerdings an eine Finanzkontrolle über Österreich und an die abermalige Versicherung geknüpft ist, dass Österreich niemals sich Deutschland anschließt. Erst 1925 wird die Schilling – Währung eingeführt (1 Schilling ist 10.000 Papierkronen.) Die Regierung Seipel konnte nun den Staatshaushalt sanieren, dies aber nur mit der Folge einer Inflationspolitik. Es mussten etwa 120.000 Beamte entlassen oder frühpensioniert werden, und durch den geringen Geldumlauf erfolgten auch keine weiteren Antriebe zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Die Arbeitslosigkeitsrate stieg daher aud etwa 10% der Beschäftigten, die weiterhin Beschäftigten mussten Lohnkürzungen und Einschränkungen sozialer Rechte auf sich nehmen. Zahlreiche Streiks und die Radikalisierung der betroffenen Bevölkerungsschichten, insbesondere der Arbeiter, war die Folge.

        Selbst in dieser leidvollen Notzeit verzeichnete Österreich bedeutende Kulturschöpfungen: der Maler Oskar Kokoschka, Rainer Maria Rilke, Arthur Schnitzler, Karl Kraus, Karl Schönherr, Robert Musil, Hermann Broch und Anton Wildgans erlangen Weltberühmtheit. Arnold Schönberg, Alban Berg, Anton Weber, Hugo von Hofmannsthal und die Salzburger Festspiele unter Max Reinhardt begeisterten die Welt. Die neue soziale Gesetzgebung war vorbildlich für viele Staaten Europas. Die Gemeinde Wien schaffte zahlreiche soziale Einrichtungen, “Gemeindewohnungen“ und andere kommunale Einrichtungen.

        Aber die Unruhen eines beengten, wirtschaftlich verarmten Volkes bleiben. Die antidemokratischen Tendenzen werden immer stärker. Die Rechte und die Linke im politischen Spiel demonstrieren mit ihren Selbstschutzverbänden bereits sehr radikal: am 15. Juli 1927 steht in Wien der Justizpalast in Flammen. 90 Tote und 600 Verwundete lautet die Bilanz. Die Polizei hatte den Schießbefehl erhalten, Exekutive und Justiz werden einseitig von den bürgerlichen Parteien dominiert. Das Linzer Programm der Sozialdemokraten und der Korneuburger Eid der Heimwehr verschärften das innenpolitische Klima in Österreich. Die Radikalisierung des politischen Leben führt zur Verfassungsreform von 1929, die dem Bundespräsidenten mehr Rechte einräumt.

        Der Zusammenbruch der Bodenkreditanstalt (1929) und der Österreichischen Kreditanstalt (1937) sowie die Weltwirtschaftskrise von 1932 führen auch in Österreich zu einer hohen Arbeitslosigkeit (1933: 600.000.) 1932 erhält Österreich eine neue Völkerbundanleihe. Als bei einer Sitzung des Nationalrates im März 1933 aus einem wahltechnischen Versehen alle drei Präsidenten zurücktreten, schaltet der damalige Bundeskanzler Doktor Engelbert Dollfuß das nach seiner Meinung arbeitsunfähige Parlament aus und regiert aufgrund eines “kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes“ aus dem ersten Weltkrieg autoritär. Kurz darauf eröffnen die Nationalsozialisten die Offensive gegen Österreich.

        In der österreichischen Provinzhauptstadt Braunau am Inn geboren, in Linz aufgewachsen, als Malschüler in Wien gescheitert, aber in den antisemitischen Ideen Georg von Schönersers geschult, ist inzwischen Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt worden (30. Jänner 1933)  und hat diese seine “Bewegung“ zur stärksten Kraft im deutschen Reich gemacht. Die Idee des NSDAP –  Annulierung  des Versailler Vertrages, Arbeit und Brot, Selbstbestimmungsrecht auch für die Deutschen, aber auch antisemitischen Parolen und Pseudosozialismus – bringen den Hitleranhängern bald auch in Österreich großen Zulauf. Der “Anschluss“ wird wieder diskutiert, aber auch eine nationalsozialistische Terrorwelle gegen Österreich eröffnet. Ende Mai 1933 verhängt die deutsche Regierung die “1.000 – Mark – Sperre“ und schädigt dadurch Österreichs Fremdenverkehrswirtschaft empfindlich.

        Nach wiederholten kleineren Zusammenstößen der sozialdemokratischen Schutzbündler mit der christlich – sozialen Heimwehr bzw. der Exekutive kommt es im Februar 1934 zuerst in Linz, dann auch in Wien und anderen Städten zu blutigen Auseinandersetzungen (Bürgerkrieg.) Das festungsartig gebaute  Arbeiterviertel Floridsdorf und andere Arbeiterheime und Gemeindebauten in Wien werden von den Regierungstruppen mit Kanonen erstürmt. Der von den Sozialdemokraten ausgerufene Generalstreik wird nicht durchgeführt. Der Widerstand bricht zusammen.

        In der Folge werden – ganz im Sinne Mussolinis – die sozialdemokratische Partei und ihre Arbeiterorganisationen sowie die Gewerkschaften verboten. Dollfuß errichtet daraufhin im Mai 1934 seinen autoritären Ständestaat (Maiverfassung 1934), der sich zunächst auf die Heimwehr Rüdiger von Starhembergs stützt und anstelle der Parteien berufsständische Organisationen setzt. Seine eigenen Anhänger sammelt er in der “Vaterländischen Front.“ In der Folge kommt es erneut zu einer Terrorwelle der Nationalsozialisten. Am 25. Juli 1935 erfolgt der Putschversuch der Nationalsozialisten, bei dem Dollfuß im Bundeskanzleramt ermordet wird. Auch die in einigen Bundesländern durchgeführte nationalsozialistische Erhebung scheitert. Doch die Zeit arbeitet bereits für den Nationalsozialismus. Dr. Kurt Schuschnigg übernimmt die Regierung, die er im Sinne “Dollfuß“ autoritär weiterführt. Als neuer deutscher Gesandter trifft Franz von Papen in Wien ein. Noch unterstützt Mussolini die Eigenstaatlichkeit Österreichs, und am 27. September 1934 erfolgt die feierliche Deklaration Frankreichs, Großbritanniens und Italiens über die Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit Österreichs.

        Die wirtschaftliche Lage beginnt sich allmählich zu bessern. 1935 werden die Großglockner – Hochalpenstrasse und die Wiener Höhenstrasse eröffnet. Die Weltwirtschaftskrise scheint überwunden zu sein. Infolge des Abessinienkrieges von 1936, in dem Hitler – Deutschland als einzige europäische Macht Mussolinis Italien unterstützt, verwandelt sich das Verhältnis Italiens zu Deutschland in Freundschaft. Nun hat Hitler freie Hand. Er bestellt Schuschnigg am 12. Februar 1938 zu sich auf den Obersalzberg in Berchtesgaden und behandelt ihn sehr herablassend. Alle Zugeständnisse Schuschniggs sind umsonst. In den Morgenstunden des 12. März 1938 marschieren deutsche Truppen in Österreich ein: der “Anschluss“ ist vollzogen. Die Großmächte nehmen diesen Gewaltakt fast widerspruchlos  zur Kenntnis. Ein Großteil der österreichischen Bevölkerung empfängt die “deutschen Brüder“ jubelnd mit dem Ruf “Ein Volk, ein Reich, ein Führer.“

        Österreich wird aufgelöst, in Reichsgaue eingeteilt und der Name Österreich ausgelöscht. Die Erste Republik ist damit zwar nicht völkerrechtlich, aber faktisch beendet. Viele Österreicher werden verhaftet und in ein Konzentrationslager gebracht, hervorragende Persönlichkeiten der Kultur wie Sigmund Freud, Franz Werfel, Stefan Zweig, Max Reinhard und andere müssen emigrieren.

        Doch das alles versank in einem Trommelfeuer der Propaganda und künstlich aufgeputschten Begeisterung .Die “ Volksabstimmung“ vom 10. April 1938 brachte das gewünschte Ergebnis: 99,73% Österreicher stimmen für “Großdeutschland.“ Der Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland war propagandistisch bestens vorbereitet worden. Bereits 1933 war Österreich ein günstiger Näheboden für den Nationalismus. Die Heimwehr war nicht nur faschistisch strukturiert (Führerprinzip, Machtergreifung), der Heimwehrführer war auch mit dem Nationalsozialisten Hermann Göring verschwägert, und Fürst Starhemberg prägte den Ausdruck “Austrofaschismus.“

        Mit dem Überfall Hitlers auf Polen am 1. September 1939 begann der 2. Weltkrieg. Österreichische Männer dienten in der deutschen Wehrmacht, viele Österreicher fielen dem nationalsozialistischen Terrorregime zum Opfer. Nach zwei Jahren erfolgreicher Kriegsführung rollte die Welle unter furchtbaren  Vernichtungsschlachten zurück. Die alliierten Luftangriffe verschonten ab 1943 auch die österreichischen Städte und Industrieorte nicht mehr. 1945 wurde das Land selbst Kriegsschauplatz.

        Am 28. März überschritten sowjetische Verbände die österreichische Grenze bei Güns. Am 5. April stehen sie bereits an der Stadtgrenze Wiens, um das bis zum 14. April gekämpft wird. Die Briten stoßen inzwischen von Italien nach Kärnten vor, amerikanische Truppen dringen in Tirol, Salzburg und Oberösterreich ein, die Franzosen in Vorarlberg. Als Deutschland am 8. Mai 1945 bedingungslos kapituliert, stehen sich Russland und Amerikaner in Linz gegenüber. Mitte Mai ist ganz Österreich besetzt.

        Die westlichen Alliierten, die in Oberösterreich und Salzburg durch die Amerikaner, in Tirol und Vorarlberg durch die Franzosen, in Kärnten und der Steiermark durch die Briten Besatzungsmacht sind, gestehen Österreich den Status eines “befreiten Landes“ zu (Moskauer Deklaration.) Die Sowjets, die Niederösterreich und das oberösterreichische Mühlviertel besetzen, betrachten Österreich als erobertes Land.

        Die Bundeshauptstadt Wien wird auf alle vier Besatzungsmächte aufgeteilt, der erste Bezirk abwechselnd einen Monat von den Alliierten verwaltet. Bereits am 27. April 1945 wird Österreich als zweite Republik etabliert, mit einer provisorischen Staatsregierung an der Spitze. Wieder einmal in seiner langen Geschichte hat Österreich fremde Truppen als Machthaber im Lande. Wirtschaftlich ist das Land ein Trümmerfeld, aber Österreich hat eine große Tradition im Überleben. Und es überlebt auch diesmal.

 

Österreich – zweite Republik (1945 bis 1990

 

        Die österreichische Widerstandsbewegung gegen die Fremdherrschaft der Nationalsozialisten war sofort nach dem Anschluss aktiv geworden. Widerstand gegen die Neuherrschaft wurde aber, wie überall, grausam gebrochen. 70.000 Österreicher wurden verhaftet, viele davon in das Konzentrationslager Dachau gebracht.

        Allein im Wiener Landesgericht wurden an die 1.200 Todesurteile vollstreckt. Auf diesen Widerstand konnte später die österreichische Regierung  verweisen, wenn die Alliierten nach dem Beitrag fragten, den Österreich selbst zu seiner Befreiung geleistet habe. Eine solche Bedingung war von den USA, der Sowjetunion und Großbritannien schon 1943 gestellt worden, als diese drei Mächte in der Moskauer Deklaration den Anschluss für nichtig erklärten und sich für die Wiederherstellung Österreichs nach dem Kriege verbürgten.

        Am 10. April 1945 wehte auf dem Hauptquartier der Widerstandsbewegung 05 in Wien zum ersten Mal die Rot – Weiß – Rote Fahne. Die provisorische Regierung unter Dr. Karl Renner erliess am 27. April eine Proklamation über die Wiederherstellung Österreichs. Gegenseitige Achtung und Toleranz, gewonnen unter der Todesdrohung der Konzentrationslager, schufen ein neues politisches Klima, das einen Wiederaufbau in demokratischer Zusammenarbeit ermöglichte.

        Doch schwerer als nach dem ersten Weltkrieg lastete die Not auf dem Land. Der Osten des Bundesgebietes war Frontbereich gewesen. Viele Betriebe und Verkehrsanlagen glichen Ruinenfeldern. Ein Fünftel der Bundeshauptstadt lag in Trümmern. Die meisten Landeshauptstädte waren verwüstet. Die Bevölkerung war von einer Hungersnot bedroht. Trotz dieser Notlage wurde die Existenzberechtigung des wieder erstandenen Staates Österreich nicht mehr diskutiert.

        

Die Besatzungszone in Österreich nach 1945

       

        Im November 1945 fanden die ersten freien Wahlen seit eineinhalb Jahrzehnten statt. Ihr Ergebnis überraschte eher das Ausland als die Österreicher selbst: die kommunistische Partei erhielt nur 4 von 165 Nationalratsmandaten, die österreichische Volkspartei erreichte 85 Sitzen die absolute Mehrheit im Nationalrat, die sozialistische Partei kam auf 76 Mandate. Um dem Druck der Besatzungsmächte standhalten und Österreich zur vollen Freiheit führen zu können, wurde das System der Allparteien – Koalition auch nach den Wahlen 1945 beibehalten. Bundeskanzler wurde Leopold Figl, der Obmann der ÖVP, zum Bundespräsidenten wurde Dr. Karl Renner, der bisherige Regierungschef, gewählt.

        Mit dem zweiten Kontrollabkommen von 1946 wurde das Erfordernis der einstimmigen Genehmigung von Gesetzen durch den alliierten Kontrollrat auf Verfassungsgesetze eingeschränkt. In den ersten zwei Jahren der Besatzung wurden strenge Kontrollen an den  Zonengrenzen durchgeführt. Die Besatzungskosten stellten für Österreich eine große Belastung dar.

        Österreich war bis 1947 auf die Hilfe der Vereinten Nationen (UNRRA – Programm) und danach bis 1953 auf die USA angewiesen. (Österreich erhält durch den Marshallplan aus den USA Kredite in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar.)

        Österreich hatte die Hälfte seiner Besatzungskosten, die immerhin 15% des österreichischen Staatshaushaltes ausmachten, an die Sowjetunion zu leisten. Als die westlichen Besatzungsmächte der Bundesregierung einige Unternehmen zur Verfügung stellten, schritt sie zur Verstaatlichung der Grundstoff – und Schlüsselindustrien ( Verstaatlichungsgesetze von 1946 und 1947: verstaatlicht wurden 70 Unternehmen der Industrie, 3 große Banken und die Energiewirtschaft.) zu dieser Maßnahme führten Erfahrungen aus der Zeit der Ersten Republik: privaten Eigentümern, insbesondere ausländischen, sollte in Hinkunft ein Abwürgen der Versorgung der österreichischen Wirtschaft mit Rohstoffen und Ausgangsmaterialien, wie dies in den dreißiger Jahren geschehen ist, unmöglich gemacht werden.

        Ein weiterer Schritt zur Gesundung der Wirtschaft war die 1947 durchgeführte Währungsreform, die die Nachkriegsinflation beendete und das von den Besatzungsmächten ungedeckt in Umlauf gebrachte Geld abschöpfte. Gegen dieses Gesetz, das eine Härte für die Arbeitnehmer darstellte, wandte sich die kommunistische Partei, die schon vorher gegen die Annahme der Marshallplan – Hilfe protestiert hatte. Es gab Demonstrationen und Unruhen unter der Arbeiterschaft der USIA – Betriebe. Im Jahr 1950 wuchsen sich solche Kundgebungen bis zu einem kommunistischen Putschversuch aus, der nur durch sozialistische Gewerkschaftler verhindert werden konnte. Die sowjetische Besatzungsmacht hatte das Eingreifen der Polizei verboten. Auch der Generalstreikaufruf der Kommunisten wurde nicht befolgt.

        Die Wahlen von 1949 hatten beiden Großparteien Mandatsverluste gebracht, der neu zugelassene “Verband der Unabhängigen“ (VDU) errang auf Anhieb 16 Mandate. Aus der VDU entstand nach 1955 die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), die als Nachfolgepartei des  deutsch – national – liberalen Lagers der Ersten Republik aufzufassen ist. Die politische Reife der führenden Parteimänner, die auf Zusammenarbeit aller bedacht waren, der Fleiß seiner Bewohner, geduldiger Wiederaufbau, Unternehmensgeist und viel Arbeit brachten es zustande, dass 1953 Österreich wirtschaftlich wieder auf eigenen Beinen stand. Die Bundespräsidenten der zweiten Republik waren bis 1986 stets Kandidaten der Sozialistischen Partei ( Renner, Körner, Schärf, Jonas, Kirchschläger, 1986 wurde Waldheim als Kandidat der ÖVP gewählt), während der Bundeskanzler der Koalitionsregierungen von 1953 bis in die sechziger Jahre von der ÖVP gestellt wurde ( Figl, Raab, Gorbach, Klaus.)

        Ein außenpolitischer Erfolg war die Abweisung jugoslawischer Gebietsansprüche im Kärntner Raum. Dagegen blieb ein Versuch, die deutschsprachigen Teile Südtirols durch Vermittlung der Alliierten zurückzugewinnen, erfolglos. Österreich musste sich  mit einem Abkommen begnügen, das für die österreichische Minderheit in Südtirol eine weitgehende Autonomie vorsah. Die italienische Auslegung des sogenannten  Gruber – de Gaspieri – Abkommens erstreckte die Autonomie auf die gesamte neugeschaffene Region Trentino – Südtirol, in der die Italiener die Mehrheit besitzen. Das machte die Regelung fast wirkungslos.

        Das wichtigste außenpolitische Problem der Regierung aber war es, die alliierten Besatzungsmächte zum Abzug zu bewegen. Da Österreich kein kriegsführendes Land gewesen war, kam der Abschluss eines Friedensvertrages nicht in Frage. Daher drängte die Regierung auf die Unterzeichnung eines Staatsvertrages. Die ersten Bemühungen dieser art gehen auf das Jahr 1946 zurück, als auf der Pariser Außenministerkonferenz der amerikanische Außenminister Byrnes einen derartigen Vertrag in Erwägung zog. Angesichts der Entwicklung des Kalten Krieges aber wollten weder die westlichen noch die östlichen Besatzungsmächte das in der Mitte Europas liegende Österreich freigeben.

        Erst durch den Tod Stalins 1953 und die darauffolgende “Tauwetterperiode“ trat eine Änderung der internationalen Lage ein. Seit der Berliner Außenministerkonferenz (1954) konnte Österreich selbständige Verhandlungen mit der Sowjetunion führen. Die Sowjets, die bisher niemals ein einmal besetztes Land aus ihren System entlassen hatten, luden im April 1955 eine österreichische Delegation unter der Führung des Bundeskanzlers Julius Raab, mit Figl, Schärf und Kreisky, nach Moskau ein, und waren unter der Bedingung der österreichischen Neutralität zum Abschluss eines Staatsvertrages bereit (Moskauer Memorandum.)

        Als auch die westlichen Besatzungsmächte zustimmten, wurde der vertrag am 15. Mai 1955 durch die Außenminister der vier Supermächte und den österreichischen Außenminister Figl im Wiener Belvedere unterzeichnet: Österreich wurde als souveräner Staat in den Grenzen von 1938 wiederhergestellt. Die Unabhängigkeit und territoriale Unversehrtheit Österreichs wurde von den Signatarmächten garantiert. Österreich verpflichtet sich, keine wie immer geartete politische oder wirtschaftliche Vereinigung mit Deutschland einzugehen. Österreich hatte aber auch schwere wirtschaftliche Verpflichtungen gegenüber den Sowjets zu erfüllen: 150.000.000 Dollar in Form von Warenlieferungen und 6.000.000 Tonnen Rohöl waren zur Ablöse des deutschen Eigentums an die Sowjets zu leisten. 1964 hatte Österreich diese materiellen Leistungen erfüllt.

        Am 26. Oktober 1955 trat das vom österreichischen Nationalrat beschlossene Gesetz über die immerwährende Neutralität Österreichs in Kraft. Tags zuvor hatte der letzte Besatzungssoldat Österreich verlassen. Nach sieben Jahren nationalsozialistischer Fremdherrschaft und zehn Jahren der Besetzung war Österreich wieder völlig frei. In diesem Neutralitätsgesetz erklärt Österreich einseitig und freiwillig, dass es seine Neutralität mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen würde.

        Damit verpflichtet sich Österreich auch zur umfassenden Landesverteidigung, also auch zur militärischen. Es verpflichtet sich ferner, in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beizutreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiet nicht zuzulassen. Der 26. Oktober ist fortan österreichischer Feiertag. Mit der Vollmitgliedschaft Österreichs in den Vereinten Nation im Dezember 1955 ist eine stillschweigende Anerkennung der österreichischen Neutralität durch Staaten anzunehmen. Das System der Koalition wurde auch nach Erringung der vollen Freiheit noch ein Jahrzehnt lang beibehalten. Die kompakte Mehrheit der beiden Regierungsparteien sicherte den wirtschaftlichen Aufstieg und die wachsende außenpolitische Geltung des Landes.

        Das Fehlen einer echten Opposition führte jedoch zu Erstarrungserscheinungen, wie etwa zum Proporzdenken, das eine gleichmäßige Verteilung wichtiger Ämter und Arbeitsverbände bald, gleichsam über den Kopf der Regierung hinweg, zueinander und bestimmten das Wirtschaftsklima durch gegenseitige Absprachen. Diese Sozialpartnerschaft regulierte das Lohn – und Preissystem und trug wesentlich zur Erhaltung des sozialen Friedens bei (Österreich ist bis heute eines der streikärmsten Länder der Welt.) Das Wirken der Sozialpartner (Kammern und Gewerkschaften) wird aber auch, da sie vom Wähler nicht kontrolliert werden können, gelegentlich als unzulässige Nebenregierung kritisiert.

        Die zweite Republik Österreich zog die Lehren aus den Fehlern der Ersten Republik, der Vollbeschäftigung wurde Vorrang gegeben und dabei ein Wertschwund der Währung in überschaubarem Maß als Preis riskiert. Arbeitslosigkeit wurde dadurch jahrelang im neuen Österreich zu einer unbekannten Erscheinung. Es mussten sogar Gastarbeiter herangezogen werden, um die Kapazität der Wirtschaft aufrecht zu erhalten. 1960 schloss sich Österreich der europäischen Freihandelszone (EFTA) an, nach langwierigen Verhandlungen erreichte es 1972 ein Freihandelsabkommen mit der EWG.

        Durch seine Neutralität stieg das internationale Ansehen des kleinen Staates gewaltig. Einige Jahre nach dem Beitritt Österreichs zur UNO wurde Wien zum Sitz zweier Behörden: der Atomenergiekommission und der Organisation für industrielle Entwicklung (UNIDO.) 1972 bis 1981 war der österreichische Außenminister Dr. Kurt Waldheim Generalsekretär der Vereinten Nationen. International bewährt hat sich Österreich erstmals 1956, als es nach dem Oktoberaufstand in Ungarn über 200.000 Flüchtlinge aufnahm.

        Nach dem Wegfall des äußeren Druckes wuchsen die Spannungen innerhalb der Regierungskoalition immer mehr. So bildete 1966 die ÖVP nach Erringung der absoluten Mehrheit eine Alleinregierung unter (Josef Klaus.) Während dieser Regierungsperiode gelangte Österreich zu einer zufriedenstellenden Regelung der Südtiroler Autonomie. 1970 fiel der Regierungsauftrag an die SPÖ. Bruno Kreisky bildete zuerst ein Minderheitskabinett und nach Gewinn der absoluten Mandatsmehrheit nach Neuwahlen (1971) eine sozialistische Alleinregierung, die zwölf Jahre lang bestand. Nach drei Jahren kleiner Koalition der SPÖ mit der FPÖ kehrte Österreich 1986 wieder zur Form der großen Koalition zurück. (Die SPÖ unter Franz Vranitzky konnte bei den Nationalratswahlen im Oktober 1990 erneut die Mandatsmehrheit erringen. Die freiheitliche Partei erreichte beachtliche 33 Mandate. Die Grünalternative kam auf 9 Mandate.

        In der Zeit der sozialistischen Alleinregierung wurden große Reformen durchgeführt, insbesondere die Strafrechtsreform, die Familienrechtsreform und die Reform des Arbeitsrechtes. Auch die Möglichkeit der direkten Demokratie, des Volksbegehrens und der Volksabstimmung wurden immer häufiger angewendet. Die Inbetriebnahme des Atomkraftwekes Zwentendorf wurde nach einer Volksabstimmung mit knapper Mehrheit abgelehnt.

        Nachdem ersten Weltkrieg liegt die Zahl deutscher und österreichischer Überseeauswanderer, die Ende des 19.Jahrhunderts sehr geschrumpft war, wieder stark an. In den dreißiger Jahren verließen etwa 250.000 verfolgte Juden und viele andere politisch diskriminierte Menschen das Dritte Reich (die Zurückgebliebenen kamen größtenteils in den Vernichtungslagern des Regimes ums Leben.) Während des zweiten Weltkrieges wurden etwa 770.000 Volksdeutsche aus Ost – Mitteleuropa und der Sowjetunion in das engere deutsche Herrschaftsgebiet umgesiedelt. Gegen Ende des zweiten Weltkrieges und in den Jahren danach kam es zu einer großen Flucht – und Vertreibungswelle Deutscher von Ost nach West.

        Über 6.000.000 Volksdeutsche verließen ihre Heimat in ost-mitteleuropäischen Staaten, über 8.000.000 verließen die deutschen Ostgebiete (Ostpreussen, Ostpommern, Brandenburg und Schlesien.) Dabei dürften über 2.000.000 Menschen ums Leben gekommen sein. Eine große Zahl Volksdeutscher hat sich auch in Österreich angesiedelt (viele Ortsnamen und Familiennamen beweisen dies.) bereits nach dem ersten Weltkrieg ist eine große Anzahl von Menschen aus der neugebildeten Tschechoslowakei nach Österreich, insbesondere nach Wien, ausgewandert. (Ein Großteil der heutigen Familiennamen in Wien ist böhmischer Herkunft.

        Das heutige Österreich erlebt nach den gewaltigen politischen Veränderungen des Jahres 1989 und 1990 einen ungeheuren Zustrom von Menschen aus Osteuropa: etwa 100.000 Menschen sind 1990, insbesondere aus Polen und Rumänien, nach Österreich gekommen, um hier um politisches Asyl anzusuchen. Die großen Probleme des heutigen Österreichs sind der Schutz der gefährdeten Umwelt (die rapide Zunahme des LKW – Transitverkehrs durch Österreich hat kürzlich zu einem regelrechten Transitstreit zwischen Österreich und Italien geführt, die Verhandlungen um einen EG – Beitritt Österreichs (wobei die österreichische Neutralität zu berücksichtigen ist), aber auch die Erhaltung der guten wirtschaftliche Position Österreichs.

DAS WAR BIS 1990!

 

 

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