DAMIT ES NICHT VERLOREN
GEHT...
Zeitzeugen vor 1938
Beim Hitlereinmarsch war ich 12 Jahre alt
und so kann ich mich auf die Zeit davor noch gut erinnern. Wir
sahen von der Haustür auf die Bundesstrasse 1 (damals
Reichsstrasse). Die Mutter sagte:“ Schon wieder fährt das
Militär, da muss was nicht in Ordnung sein“. Es gab die
Heimwehr und den Schutzbund. Die einen schwarz die anderen
rot, Brüder standen manchmal gegenüber. Der eine im Steinbruch
beschäftigt, der andere als Knecht bei einem Bauern und schon
hatte sie die Politik zu Gegnern gemacht. Über Nacht waren am
Straßenrand oder auf alten Mauern drei rote Pfeile gemalt. Es
war die Arbeiterbewegung oder Arbeitslose. Mein Vater war
Fabriksarbeiter und war nie politisch veranlagt. Die Zeit
zwang ihn zum Beitritt zur Arbeiterpartei. Man legte ihm nahe,
dass er nur so seinen Arbeitsplatz erhalten könne, auch dass
er seinen Meister beim Schweineschlachten ein paar Bratwürstel
mitgebracht habe, wäre noch keine Sicherheit gewesen. Vaters
Fahrrad durfte niemand anrühren. Einigemale zu
spät kommen zur
Arbeit wäre ein Entlassungsgrund gewesen. Jedes Wochenende
hatte die Mutter Angst vor einer Entlassung. Er hatte Glück
gehabt. Lohnforderung war kaum möglich, da wegen
Auftragsmangel mit Entlassung gedroht wurde. So manches
Tagesgespräch lautete: Schon wieder ist einer mit dem Geld
abgefahren!“ In der Schule wurden rot-weiß-rote
Dreieckabzeichen verkauft, auf den stand, sei einig, oder auf
Blätter stand: „Kauft Österreichische Waren!“ Schulentlassene
hatten keine Arbeit bekommen, saßen am Straßengeländer und
rauchten Flirt, das war die billigste Zigarettensorte. Ein
Bettler nach dem anderen kam um ein Stück Brot, aber auch um
einige Groschen für Zigaretten, andere baten um ein
Kleidungsstück. Bauern trugen der Zinsenwegen in die Sparkasse
und schuldeten die Gewerbetreibenden an, sodass auch diese in
Schwierigkeiten kamen. Juden borgten so lange bis der
Schuldner zum Besitzwechsel bereit war. Sie sammelten aber
auch Felle, Schweins- und Rinderblasen sowie Textilien. Die
Leute gingen noch viel zu Fuß, viele km zur Arbeit. Es gab
wohl Fahrräder, Motorräder selten, Auto kaum. 1936 musste ich
jeden 2. Tag, 6 km zum Arzt zu Fuß gehen. So vieles sieht
heute so ähnlich aus. Politiker, religiöse Vertreter und wer
sonst noch alle nehmen heute zum Thema 38 Stellung. Jetzt nach
über 50 Jahren haben alle gut reden. Lassen wir doch die alten
Geschichten vergessen. Wir haben doch in unserer Gegenwart
Probleme genug, die dringend beseitigt werden sollten. Nach
dem Anschluss wurde der Schilling zu 67 Pfennig gewechselt.
Das war der Preis für 1kg Brot. 23 Schilling verdiente mein
Vater pro Woche.
Die ersten Jahre nach Kriegsende wurden
noch viele Stallmauern mit Bruchsteinen kombiniert mit alten
Ziegeln hergestellt. Dazu war schon einige Übung notwendig.
Auf einen einzigen Stein kann ich mich gut erinnern, der so
groß war, dass wir ihn zu dritt auf das erste Gerüst hoben,
dann auf das zweite und dann erst auf die Mauer. Wir freuten
uns, wieder ein Stück Mauer gelegt zu haben. Auch habe ich
einmal ein großes Loch in einer Kellermauer mit Stein und Lehm
verschließen müssen, das zu einem Geheimlager während des
Krieges führte. Warum nicht mit Mörtel? Der Besitzer sagte:
„Hat der Lehm vorher gehalten, ist er auch jetzt gut genug.“
Viele Kellersockeln der Häuslbauer wurden
mit Steinen hergestellt. Die Gleichenfeier war immer ein
erfreulicher Höhepunkt der Baustelle, die heute schon wieder
vergessen werden. Natürlich hatte ich mit 20 Jahren noch keine
Familie zu erhalten. Auslagen für ein Auto, elektrische
Anlagen oder was sonst heute alles Geld kostet, gabs doch
alles nicht. So bin ich oft wochenlang nicht in unser Büro
gekommen, von wo wir uns am Sonntag vormittags das Lohnsackerl
abholen mußten. Mir reichte oft das Überstundengeld, Jahre
danach, als die Arbeitszeit gekürzt wurde, dass die
Arbeitswoche schon Freitags endete, brachte auch der Chef den
Lohn auf die Baustelle. Erst mit Beginn der Überfälle durch
Revolverhelden wurde die Monatsabrechnung und Banküberweisung
eingeführt. Damals arbeiten wir um den blanken
Kollektivvertragslohn, es gab auch keine Zulagen.
©
by
Anton Kriebert & Franz Sonnleitner
jegliches
kopieren oder Verlinken der
Texte oder Bilder nur mit Genehmigung des Autors
zurück zur Homepage
|