DAMIT  ES  NICHT  VERLOREN  GEHT...

 

Aus meiner Kinderzeit

Früher musste eine Frau wie meine Mutter, ich meine die 20er und 30er Jahre in denen ich ein Kleinkind war neben ihrer Kinderpflege den gesamten Haushalt mit Kleintieren und Garten mit erledigen. Daneben auch noch in den Saisonzeiten der Landwirtschaft viel zu den Bauern arbeiten gehen. Meine Mutter 2 – 3 km durch Wald und Feld und auch bergauf. Heute wird für jedes Stückerl ein Auto verwendet und wir beklagen uns über die unreine Luft und Wasser. Im Herbst erhielt Mutter dann einen Leiterwagen voll Kartoffel und Rüben, auch manchmal ein kleines Schweinderl, oftmals einen Kümmerer zum weiterfüttern. Vater arbeitete in der Fabrik als Hilfsarbeiter um auch etwas Geld heimzubringen. In seiner Freizeit war er genauso im Haushalt tätig und fertigte da er erlernter Tischler war, die notwendigsten Möbel und sonstigen Gebrauchsartikeln selber an. Damals gab es bei uns noch keinen elektrischen Strom, daher auch keine Maschinen; Somit alles Handarbeit. Auch die Kleidung wurde nicht wie heute gekauft und weggeworfen nur der Mode und Schönheit wegen. Damals diente die Kleidung noch zum Schutz des Körpers. Vieles wurde selbst gemacht, ausgebessert, geflickt und gestopft. Für einen kleinen Buben genügte auch ein selbst gemachter Kittel. Wenn ich heute meine Kinder in der Unterwäsche sehe, mit einem Bändchen zwischen den Hinterteilen und vorne nur ein Stoffdreieckerl übers behaarte Fleckerl, das ganze auf einem Gürtel angebracht, ist eher als Reizwäsche als Unterwäsche. Frauenärzte werden reich und Hodenkrebs ist auch keine Seltenheit. Guter Rat wäre zwecklos. Schließlich haben wir auch Anspruch auf Krankenstand.

Heute hat eine Frau mit einem Kind und gepflegten Haushalt Arbeit genug. Wir würden da die Mütter von damals schauen. Der Arzt wurde nicht bei jeder Kleinigkeit bestellt, man half sich in vielen Fällen selber. Auf jeden Fall lebten sie gesünder. Auch konnte man von einem Arzt nicht allzu viel erwarten, sonst hätte jener sich auch Gedanken machen müssen über mein verzweifeltes weinen, als ich ein halbes Jahr alt war. Er kam auch erst drauf als meine Ohren zu rinnen begannen. Als Kind hört man nur sehr schwer auf den Rat der Eltern. Immer wieder Ohrenschmerzen und Facharztbesuche. Auslaufen ohne Kopfbedeckung, dürfte Ursache der meisten Ohrenleiden gewesen sein. 10 Jahre war ich alt, als heftige Schmerzen und Fieber, begleitet mit gelben und grünen Erbrechen einsetzte. Nach ein paar Tagen der Beobachtung im Bezirkskrankenhaus wurde ich in die Ohrenabteilung des Allgem. Krankenhaus in Wien weitergeschickt. Der Herr Nachbar schnitt mir vorher die Haare um nicht gar so auszusehen. Bald darauf wurde ich operiert. Mit einem rieseigen Turban, lief ich noch mehrere Tage schon umher und half der Zimmerschwester das Essgeschirr sammeln. Ich lag in einem großen Zimmer unter vielen erwachsenen Männern wo die Fenster sehr hoch oben waren. Eines Tages wollte ich nicht helfen und legte mich ins Bett. Die Schwester wunderte sich über mein Verhalten. Bei der Nachmittagskontrolle war mein Thermometer auf 40° angestiegen. Rasch wurde meine Mutter verständigt, die 100 km entfernt war. Damals brauchte man mit dem Personenzug für diese Strecke 3 ¼ Stunden. Die Ärzte bereiteten sich für eine nochmalige Operation vor. Die war 13 Tage nach der ersten, diesmal radikal auf Leben und Tod. Und sie war von Erfolg. Nur Trommelfell und Gehör hab ich in diesem Ohr keines mehr. Als Erwachsener kapiert man eher, daß Wärme für einen empfindlichen Kopf notwendig ist. So bin ich Träger einer Pullmannmütze. Wie jedes Ding zwei Seiten hat, hatte auch dies in meinem Leben Vor – und Nachteile. Zum Ersten.  Ich liege fast immer auf dem gesunden Ohr, das bedeutet mehr Ruhe beim Schlafen. Zum Zweiten. Ich wurde ein Jahr später zum Kriegsdienst einberufen, kam aber trotzdem an die Front. Im letzten Kriegsjahr war alles tauglich. So kam es vor, daß ich mit Sehschwachen einmal im Schützenloch teilen musste, mit den Worten der eine sieht, der andere hört. Vorteil drei: Gegen Kriegsende in der Nähe von Hollabrunn war unsere Stellung tief im Wald. Finstere Nacht und Regen ließen nur ein einziges Rauschen vernehmen. Ich beklagte mich täglich, daß ich nichts hören kann, darauf wurde ich als Zugmelder eingeteilt. Diesen Posten behielt ich bis Kriegsende. Aber kurz zuvor erlebte ich noch ein sonderbares Ereignis, natürlich auch im Wald. In finsterer Nacht und Regen, war ich zur Wache vor dem Zuggefechtsstand eingeteilt. Nichts zu sehen und zu hören. Plötzlich greift mir jemand ins Gesicht. Es hätte auch ein feindlicher Soldat sein können. Zu meinem und unserem Glück war es ein Melder des Kompaniegefechtsstandes mit einer guten Nachricht. Wir werden abgelöst und dürfen zurück bis in die nächste Ortschaft. Hatten nur ganz leichten Dienst zu machen. Das hielt sich nur einige Wochen und so kam der 5. Mai 1945 herbei. Von da an bewegte sich alles, die Straßen voll in Richtung Oberösterreich, wo wir unweit von Freistadt in die amerikanische Gefangenschaft gingen. Ein Schüsselchen Suppe pro Tag und 25 Mann einen Wecken Brot hielt uns sechs Wochen, dann wurden wir in russische Gefangenschaft übergeben. Dort kamen wir nach Entlausung und Bad zum ersten mal  unter Dach. 1200 Mann in einer Baracke, das heißt 6 Mann in einem Bett. Zwei am Boden, zwei im Bett und zwei im Oberbett. Von da an gab es 600 Gramm Brot. In weiterer Folge erreichten wir Konstanza am Schwarzen Meer wo wir von der Gefangenschaft als Österreicher mit Ungarn und Volksdeutschen befreit wurden. Mit 19 ½ Jahren und 45 kg Körpergewicht erreichte ich im Herbst 1945 mein Elterhaus wieder.

 

©  by Anton Kriebert  & Franz Sonnleitner

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