DAMIT  ES  NICHT  VERLOREN  GEHT...

 

Kleinhäuslerleben auf dem Lande vor 1938

 

Als ich noch ein Kind war, besorgte sich eine Arbeiterfamilie das Allernotwendigste selbst. Meine Eltern hatten ein kleines Haus. Küche, Zimmer, Kabinett und einen kleinen Wirtschaftsanbau. Der Vater war Hilfsarbeiter in der Fabrik und hatte eine sehr staubige Arbeit. Seine Arbeitszeit war Sommer und Winter von 6 – 2 Uhr. Der Arbeitsweg  5 km eine Strecke, zu spät kommen durfte es nicht geben. Damals gab es viele Arbeitslose daher auch Bettler und Hausierer, aber auch Zigeuner, von denen man sich in Acht nehmen musste. Vater war gelernter Tischler, so fertigte er die notwendigen Möbeln selbst an. Er war auch bei der gesamten Hausarbeit mitbeteiligt. Urlaub oder 1 Tag Ausflug war nicht vorstellbar. Der Sonntag war auf jeden Fall ein Ruhe – und Kirchentag. Entgegen unserer Jetztzeit, die so mechanisch und rationell eingerichtet ist, die Freizeit immer größer wird und die Erzeugnisse immer mehr Sorgen der Überproduktion macht, arbeiten immer mehr Menschen Sonntags und keine Kirche. Im Wohlstand wird auf vieles vergessen und hat auch keine Zeit.

DU SOLLST DEN TAG DES HERRN HEILIGEN, heute er vielfach Tag der Faulenzer geworden. Meine Mutter fütterte 3 Ziegen und 2 Schweine. Sie arbeitete den ganzen Sommer über halbtags bei einem Bauern, bei der Kartoffel, Rüben, Korn und Heuarbeit mit. Sie erhielt dafür eine entsprechende Fläche Acker für ihre eigenen Kartoffel und Rübenanbau zugewiesen.

Da es vor der Hitlerzeit noch kaum oder nur sehr primitive Maschinen mit Pferdeantrieb gab, waren bei einen mittelgroßen Bauern in der Saison 10 – 15 Personen auf den Feldern zusammen. Gummibereifte Fahrzeuge gab es erst nach dem Krieg, bis dahin waren hölzerne Leiterwagen und Maschinen üblich. Manchmal beneide ich die Leute von damals, nicht wegen ihrer schweren und langen Arbeitszeit bei Hitze und Schweiß, aber auch im Herbst, den rauhen Winden, sondern um die Bewegung in reiner, gesunder, ruhiger Natur. Um die Heuzeit mussten die Mäher schon in der Dämmerstunde ihr Tagwerk beginnen, da das Gras mit der Sense,  solange es noch taunass war, leichter zu mähen ging, außerdem musste das Gras in der Sonne trocknen. Und sie waren geselliger, zufriedener. Es gab doch kein Radio, Telefon, Fernsehen und so viele Illustrierte. Sie hatten Zeit und waren in diesem Sinne auch gezwungen zur Selbstunterhaltung. Nach dem Dreschen oder sonstigen Anlässen, wie Maibaumsetzen, Erntedank und vieles andere mehr.

Trotz Staub  und Schweiß waren sie nicht zu müde, um nachher noch zu tanzen. Manche Kornkammer oder sonstiger größerer Raum wird heute noch Tanzboden genannt. Das Wort Promille kannte noch niemand, es gab doch auf der Strasse nur Pferdefuhrwerker, und Fußgänger. Die Strassen waren um die Hälfte schmäler und in der Fahrbahnmitte wuchs meistens noch Gras. Es spielte auch keine Rolle, wenn mancher Knecht zu tief in den Mostkrug schaute, oder am Wagen gar einschlief. Die Pferde fanden selber den Weg nachhause. Sie mussten auch früh aufstehen. Pferde brauchten 2 Stunden zum fressen, bevor sie eingespannt wurden. Bei Tisch wurde meist aus der Schüssel gegessen, getrunken aus einem Krug, der von Einem zum anderen weitergegeben wurde. Auf dem Feld war ein Plutzer zweckmäßiger. Er hatte einen günstigeren Henkel zum tragen und seine kleineren Öffnung waren mit Korken gegen Fliegen, Wespen, Spinnen oder sonstigen Unrat leicht zu verschließen. Der herrliche Nachteil war, man konnte nicht hineinsehen. Es gab damals auch noch (Motschkerer), das waren jene Männer, die den unverbrannten Rest aus der Pfeife in den Mund stopften und kauten. Natürlich hatten auch diese einen Durst. Die Fußböden waren durchwegs aus breiten Brettern mit ebensolchen Fugen. In der großen Küche wo sich das Gesinde zu den Mahlzeiten einfand wurde ganz feiner Quarzsand gestreut. Jede Woche wurde 1x auf einem Reibbrett kniend mit Reibbürste und Wasser gründlich gereinigt und neuer Sand gleichmäßig verteilt. Der Misthaufen zierte fast immer der Mittelpunkt eines Vierkanthofes, dem meist das hölzerne Häusl, mit dem ausgeschnittenen Herzerl in der Tür angeschlossen war. Rundherum waren die Stallungen der Pferde, Kühe, Schweine und am trockensten schönsten Eck, der Wohnteil angeordnet. Die Fliegen in der Küche waren eine wahre Pracht. In den Stallungen gab es daher eine Menge Schwalbennester.

 Nun wieder zurück zu meinem elterlichen Haushalt. Wir waren drei Geschwister. Nach dem Schulaustritt kamen die ältesten zu einem Bauern und waren dort daheim. Ich war der jüngste und wuchs auch schon in die Hitlerzeit hinein. Ich durfte einen Beruf erlernen. Von da an gab das Geld besser aus und auch wir heizten mit Kohle. Vorher kannten wir das nicht. Der Vater grub in der Urlaubszeit Stöcke im Wald, das sind, die in der Erde verbleibenden Reste eines Baumabschnittes, wofür natürlich auch beim Waldbesitzer gearbeitet werden musste. Genauso für das Abmähen dürfen, von Rainen als Ziegenfutter. Die Mutter kochte kochte fast das ganze Jahr mit Reisig und Kleinkohle, das sie mit dem Schiebekarren aus den Wäldern heimbrachte. Da ich das letzte Kind war, musste ich überall mit. Die Mutter war nicht allein und ich konnte ihr schon viel helfen und lernte so das Leben von vielerlei Seiten kennen. Übrigens möchte ich noch darauf hinweisen, dass meine Mutter, als sie selbst 18 Jahre alt war, bei einem Bauern, beim Futterschneiden die rechte Hand bis zum Handgelenk verlor. Ihr erster Mann blieb im 1. Weltkrieg, sie heiratete ein 2. mal und brachte 6 Kinder zur Welt. Sie wickelte ein Band um den Handstümmel und strickte für die ganze Familie, flickte die Kleider, da ein kaufen wie heute und wegwerfen schon bevor es noch kaputt ist nicht möglich gewesen wäre. Sie mähte mit der Sense, wie alle Anderen und fuhr den Schiebekarren mit einem Tragband. Sie wollte nicht hören, dass man zu ihr sagte, sie sei arm. Sie stellte auf jeden Platz, ihren Mann und hatte ein starkes Gottvertrauen sowie Humor und wurde über 80 Jahre alt. Sie war mir ein großes Vorbild. Der starke Lebenswille half auch mir, da ich in der Mitte meines Hausbaues die Kinderlähmung bekam, 2 Jahre arbeitsunfähig  und jeden Winter arbeitslos war. Als Vater von 6 Kindern arbeitete ich danach 30 Jahre als Maurer bis zu meiner jetzigen Invalidenpension. Ich meine ein Vertrauen auf Gotteshilfe ein tägliches Gebet ist da schon etwas wert. Was heute fast unmöglich scheint, lebten wir selbstverständlich von der Ziegenmilch. Butter wurde nur 1x in der Woche für Vater, vom Nachbarn gekauft, da der Freitag als absolut fleischlos galt, eben so war es mit der Semmel. Ganz selten gab es Zuckerl oder Schokolade. Am Christbaum wurden Kekse mit Staniol gewickelte Nüsse aufgehängt, Orangen sahen wir zum 1. mal als die Tante aus Wien, für jedes eine mitbrachte. Vor 1938 gab es kein Geld, nach 1939 keine Ware. Nur auf Lebensmittelkarten und Bezugsscheine. Dazu ein Vergleich nach 1945

Wieder keine Ware, dann keine Leute und jetzt wieder keine Arbeit. So hat jede Zeit ihr für und wieder. Aus der Nachkriegszeit habe ich noch in Erinnerung, wo ich viel als Maurer bei den Bauern tätig war, das Kraut und Erdäpfel eine Vorspeise war, Geselchtes und Erdäpfelsalat waren die Hauptspeise. Die Bäuerin konnte neben der Kochzeit die Tiere im Schweinestall versorgen.

 

©  by Anton Kriebert  & Franz Sonnleitner

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